Helmichs Biologie-Lexikon

Reaktionsnorm

Phänotyp

Der Phänotyp eines Lebewesens hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab, der genetischen Ausstattung (dem Genotyp), und der Einwirkung der verschiedenen Umweltfaktoren.

Allerdings setzt sich der Phänotyp aus einer ganzen Reihe verschiedener Merkmale zusammen, beim Menschen zum Beispiel Hautfarbe, Augenfarbe, Körpergröße, Körpergewicht, Neigung zu Übergewicht, Intelligenz, körperliche Fitness, Einfühlungsvermögen, um nur ein paar zu nennen. Die ersten vier Merkmale sind äußerlich sichtbar, die anderen vier Merkmale sind nicht direkt sichtbare Eigenschaften, die aber auch zum Phänotyp gehören,

Phänotyp und Umwelt

Einige dieser Merkmale hängen sehr stark von Umweltfaktoren ab, andere dagegen nicht. Die Hautfarbe ist beispielsweise genetisch vorgegeben, kann aber durch UV-Strahlung sehr stark variiert werden. Die Augenfarbe dagegen unterliegt so gut wie keinen Umwelteinflüssen, ebenso wenig die Körpergröße, während das Körpergewicht sehr stark von der Umwelt mitbestimmt wird, nämlich in Form von Ernährungsgewohnheiten, die man sich angeeignet hat.

Phänotyp

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Reaktionsnorm

Die Reaktionsnorm ist nun ein Fachbegriff für diesen Zusammenhang zwischen Gentyp und Umweltfaktoren. Hier ein paar Definitionen aus verschiedenen Quellen:

Reaktionsnorm, alle genetisch bedingten Ausprägungsformen eines Merkmals, die innerhalb einer gewissen Reaktionsbreite durch innere und Umwelteinflüsse gesteuert werden (Modifikation). Veränderungen über die Grenzen der R. hinaus sind durch Veränderungen im Erbgut bedingt und somit Ausdruck der genetischen Variabilität.

Quelle: Spektrum-Kompaktlexikon der Biologie

Reaktionsnorm, ..., festgelegte Reaktionsweise eines Organismus oder einer Population auf ökologische Faktoren. Die genetische Grundlage der Reaktionsnorm wird Reaktionsbasis genannt.

Quelle: Spektrum-Lexikon der Biologie

Die Reaktionsnorm beschreibt die Ausprägung von Merkmalen aufgrund von Umwelteinflüssen im Rahmen der genetisch bedingten Möglichkeiten eines Lebewesens, also die Fähigkeit der Anpassung eines Organismus an die Umwelt.

Quelle: Pflanzenforschung.de

Reaktionsnorm

Die Reaktionsnorm wird vererbt und gibt vor, wie stark ein bestimmtes Merkmal durch Umweltfaktoren beeinflusst werden kann.

Quelle: eigene Kurzdefinition (U. Helmich)

Der Begriff der Reaktionsnorm hat eigentlich zwei Dimensionen.

Einmal besagt die Reaktionsnorm, welchen Einfluss Umweltfaktoren auf den Phänotyp eines Individuums haben (oder auch auf die Phänotypen einer ganzen Population). Auf einige Merkmale wie zum Beispiel die Augenfarbe oder die Blutgruppe hat die Umwelt überhaupt keinen Einfluss, hier ist die Reaktionsnorm also Null oder zumindest sehr eng. Auf andere Merkmale wie zum Beispiel das Körpergewicht oder die psychische Belastbarkeit hat die Umwelt einen durchaus großen Einfluss.

Zum andern besagt die Reaktionsnorm, wie gut sich eine Art oder eine Population an veränderte Umweltbedingungen anpassen kann. Lebewesen mit einer schmalen Reaktionsnorm können sich nicht sehr gut an veränderte Umweltbedingungen anpassen, sie haben eine geringe phänotypische Plastizität.

Durch den Klimawandel und die damit verbundene Erwärmung der Erde und der Ozeane werden sehr viele Arten mit einer engen Reaktionsnorm bezüglich der Temperaturtoleranz Probleme bekommen. Arten mit einer breiten Reaktionsnorm werden sich dagegen leichter anpassen oder neue ökologische Nischen aufsuchen, die vielleicht frei geworden sind, weil Arten mit einer engen Reaktionsnorm die Veränderungen nicht überlebt haben.

Veranschaulichung des Begriffs

Schauen wir uns folgendes Schema an:

Schmale und breite Reaktionsnorm

Schmale und breite Reaktionsnorm im Vergleich
Autor: Ulrich Helmich 2015, Lizenz: siehe Seitenende

Dargestellt ist die Reaktionsnorm von zwei Pflanzen einer Art auf den Umweltfaktor Temperatur. Die Pflanze 1 hat - genetisch bedingt - eine recht schmale Reaktionsnorm, sie kann nur zwischen 10ºC und 20ºC existieren.

Bei der Pflanze 2 ist die Reaktionsnorm breiter. Sie kann - genetisch bedingt - auch noch höhere Temperaturen bis 27 oder 28 ºC tolerieren. Vielleicht hat die Pflanze 2 bessere Gene als Pflanze 1, die für Proteine codieren, welche Hitzeschäden beseitigen.

Schmale und breite Reaktionsnorm

Reaktionsnormen von zwei Menschen im Vergleich
Autor: Ulrich Helmich 2015, Lizenz: siehe Seitenende

Den Begriff "Reaktionsnorm" muss man eigentlich immer auf ein bestimmtes Merkmal beziehen. Man kann nicht einfach sagen, der Mensch 1 hat eine größere Reaktionsnorm als der Mensch 2. In diesem Beispiel hier hat der Mensch 1 in Bezug auf die Veränderung der Hautfarbe eine schmale Reaktionsnorm. Bei viel Sonneneinstrahlung (gelber Pfeil) wird er nur wenig dunkler. Der Mensch 2 hat hier eine viel breitere Reaktionsnorm, bei der gleichen Sonneneinstrahlung wird seine haut ziemlich dunkel.

In Bezug auf die Hitzetoleranz ist es in unserem Beispiel aber genau umgekehrt. Mensch 1 hat eine breite Hitzetoleranz, er verträgt hohe Temperaturen auch über 30 ºC. Mensch 2 hat dagegen eine engere Hitzetoleranz, bei 27 ºC macht er schon schlapp.

Den Begriff "Phänotyp" habe ich hier jetzt bewusst noch nicht verwendet, aber man könnte schon mal festhalten, dass dem Phänotyp eines Menschen, eines Tiers, einer Pflanze eine Vielzahl solcher Reaktionsnormen zu Grunde liegt, die wiederum genetisch bedingt sind.

Reaktionsnorm

Weitere Einzelheiten zum Begriff der Reaktionsnorm finden Sie auf der Seite "Reaktionsnorm" in der Genetik-Abteilung dieser Homepage.