Helmichs Biologie-Lexikon

Lichtsammelkomplex

Unter einem Lichtsammelkomplex versteht man den Zusammenschluss vieler einzelner Chlorophyll-Moleküle (und anderer Moleküle) zu einem großen Komplex. Im Zentrum des Lichtsammelkomplexes steht ein spezielles Chlorophyll-Molekül, das sogenannte Reaktionszentrum.

Schematische Darstellung eines Lichtsammelkomplexes
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

In dieser schematischen Darstellung sieht man einen Ausschnitt aus dem Lichtsammelkomplex, der für das Reaktionszentrum P680 zuständig ist. Ganz außen liegen Chlorophyll-Moleküle, die durch relativ kurzwelliges, energiereiches Licht (Wellenlänge um die 650 nm) angeregt werden. Die angeregten Chl*-650-Moleküle können die aufgenommene Energie an andere Chlorophyll-Moleküle weiterleiten, allerdings nur an solche Moleküle, die durch längerwelliges energieärmeres Licht angeregt werden. Insofern ist die Energieweiterleitung nicht ganz verlustfrei.

Eine chemische Erklärung für die Weiterleitung der Energie von einem Antennenpigment zum Reaktionszentrum
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Aus der Farbstoffchemie sind vielleicht die Begriffe HOMO und LUMO bekannt.

Farbigkeit organischer Verbindungen

In diesem Abschnitt meiner Homepage erkläre ich auf Sek. II - Niveau, wieso bestimmte organische Verbindungen sichtbares Licht absorbieren und wie dabei Elektronen vom höchsten besetzten Molekülorbital (HOMO) in das niedrigste unbesetzte Molekülorbital (LUMO) gelangen. Wenn Sie also keine Ahnung von Lichtabsorption und von den Begriffen HOMO und LUMO haben, sollten Sie unbedingt zunächst diese Seiten durcharbeiten. Biologie ohne Chemie ist wie Stricken ohne Wolle!

Hier die Erklärung zur der Abbildung 2:

  1. Der Lichtsammelkomplex im Grundzustand. Das Reaktionszentrum aus zwei speziellen Chlorophyll-Molekülen im Zentrum.
  2. Eines der Antennen-Pigmente wird von einem Photon getroffen. Eines der vielen delokalisierten pi-Elektronen des Chlorophylls wird dadurch auf ein höheres Energieniveau gehoben (HOMO → LUMO - Übergang).
  3. Das Elektron kehrt wieder in seinen Grundzustand zurück, dabei wird Energie freigesetzt. Diese freigesetzte Energie führt jetzt dazu, dass in einem benachbarten Chlorophyll-Molekül wieder ein Elektron vom Grundzustand in einen angeregten Zustand befördert wird. Der HOMO-LUMO-Abstand in diesem neuen Chlorophyll-Molekül ist etwas geringer als in dem ursprünglichen. Das ist notwendig, weil bei dem Energietransfer immer geringe Verluste auftreten und daher nur Moleküle angeregt werden können, bei denen der HOMO-LUMO-Übergang weniger Energie erfordert.
  4. Der Vorgang wiederholt sich, das nächste Nachbar-Chlorophyll wird auf die gleiche Weise angeregt. Der HOMO-LUMO-Abstand ist noch geringer als beim vorherigen Molekül.
  5. Und noch einmal wiederholt sich der Vorgang. Nur dieses Mal wird nicht irgendein beliebiges Chlorophyll-Molekül angeregt, sondern eins der beiden Chlorophyll-Moleküle im Reaktionszentrum. Dieses Chlorophyll absorbiert Licht der Wellenlänge 680 nm, also ziemlich langwelliges Licht. Der HOMO-LUMO-Abstand ist hier besonders gering.

Wenn Sie sich jetzt noch einmal die Abbildung 1 anschauen, dann fällt Ihnen sicherlich auf, dass die Antennen-Moleküle unterschiedliche Wellenlängen absorbieren. Alle Chlorophyll-Moleküle absorbieren rotes Licht, aber die weiter außen liegenden absorbieren rotes Licht der Wellenlänge 650 nm, also recht "kurzwelliges" rotes Licht, und je weiter wir uns dem Reaktionszentrum nähern, desto längerwelliges Rotlicht wird absorbiert. Das zeigt uns, dass der HOMO-LUMO-Abstand in den Molekülen immer geringer wird, je mehr wir uns dem Reaktionszentrum nähern. Der Energietransfer erfolgt also quasi "bergab", von Molekülen mit großem HOMO-LUMO-Abstand bzw. kurzwelligem Rotlicht zu Molekülen mit geringerem HOMO-LUMO-Abstand bzw. langwelligerem Rotlicht.

Egal, welches der vielen Hundert Antennen-Moleküle ein Photon absorbiert, über die Weiterleitung der Energie an andere Chlorophyll-Moleküle gelangt die aufgenommene Energie schließlich zum Reaktionszentrum P680.

Struktur des Lichtsammelkomplexes LHC2 höherer Pflanzen.
Quelle: Wikipedia, Artikel "Lichtsammelkomplex". Autor: aegon
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Der Lichtsammelkomplex für das Reaktionszentrum P700 ist übrigens ähnlich aufgebaut, nur dass hier insgesamt etwas längerwelliges Licht absorbiert wird.

Photosynthese und Quantenphysik

Einige Forscher und Forscherinnen sind heute der Meinung, dass der Energietransfer in dem Lichtsammelkomplex quantenchemisch erfolgt, also verlustfrei. Absorbiert eines der Antennenmolekül ein Photon, dann verlässt ein Elektron das Molekül unter hinterlässt im Chlorophyll ein "positives Loch". Dieses Paar - Elektron + positives Loch wird auch als Exciton bezeichnet. Früher nahm man an, dass sich diese Excitonen zufällig in dem Lichtsammelkomplex ausbreiten und zufällig auch irgendwann mal auf das Reaktionszentrum treffen. Man hat aber herausgefunden, dass die Energieweiterleitung im Lichtsammelkomplex hocheffizient ist mit einem extrem hohen Wirkungsgrad. Eine zufällige Weiterleitung kann diesen hohen Wirkungsgrad nicht erklären.

Unter dem Begriff Superposition versteht man das Phänomen, wenn sich ein Teilchen, zum Beispiel ein Elektron, an zwei oder mehreren Orten gleichzeitig aufhalten kann. Eine solche Superposition gibt es nur in der Quantenwelt, nicht in der alltäglichen Welt, die wir kennen. Bezogen auf die Energieweiterleitung im Lichtsammelkomplex heißt das, dass das Exciton nicht von einem Antennenmolekül auf ein beliebiges anderes überspringt, sondern sich gleichzeitig über alle Moleküle des Antennenkomplexes ausbreitet. Auch das Reaktionszentrum wird dabei sofort erreicht.

Quantum Biology [Part 1] - How Plants Use Quantum Mechanics

In diesem YouTube-Video werden die neusten Erkenntnisse zu diesem Thema ausführlich und spannend erläutert. Sehr empfehlenswert!