Helmichs Biologie-Lexikon

Kaliumkanal

Das alte Modell aus dem Schmidt-Lehrbuch [1] habe ich jetzt von dieser Seite entfernt, da es nicht mehr allzu aktuell ist.

Neuere Erkenntnisse zum Kalium-Kanal

In den Lehrbüchern von Alberts et al [2] sowie von Stryer [3] findet man neuere Modellvorstellungen zu den Kalium-Kanälen. Beide Autorenteams beschreiben hier allerdings den etwas einfacher aufgebauten K+-Kanal der bakteriellen Zellmembran. Schauen wir uns zunächst folgende Zeichnung an, die ich in Anlehnung an die Abbildungen aus diesen Lehrwerken erstellt habe:

Der bakterielle Kaliumkanal. Links: Seitenansicht, rechts: Aufsicht
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Der bakterielle K+-Kanal besteht aus vier Untereinheiten, wobei jede dieser Untereinheiten drei α-Helices besitzt, die hier grün dargestellt worden sind. In der Seitenansicht des Kanals (links im Bild) sind nur zwei dieser vier Untereinheiten dargestellt, weil man ja sonst nicht sehen würde, was im Innern des Kanals geschieht.

Von "unten" (also aus dem Zellinnern) kommt ein hydratisiertes Kalium-Ion andiffundiert. In dem Übergangsstück zwischen dem unteren ausgeweiteten Teil der Pore und dem engen oberen Bereich (dem Selektivitätsfilter) werden nun die Wasser-Moleküle entfernt, was einen kleinen Energiebetrag von 230 kJ/mol kostet (Hydrationsenthalpie). Diese Energie muss der Kanal aufwenden, damit das Kalium-Ion "nackt" vorliegt [3]. Nur das nackte Kalium-Ion passt nämlich in den oberen engen Teil der Pore. Hier wird das Kalium-Ion nämlich von vier Sauerstoff-Atomen gebunden (nicht-kovalent), was dann die erforderliche Energie für die Dehydratisierung zur Verfügung stellt. Diese Sauerstoff-Atome werden von vier Peptidbindungen der Peptid-Schleifen zur Verfügung gestellt, die die Helices verbinden. Die doppelt gebundenen O-Atome ersetzen quasi die O-Atome der Wasser-Moleküle, die in der Hydrathülle vorhanden waren.

In der Aufsicht (rechts) kann man das alles besser sehen. Hier sind übrigens auch alle vier Untereinheiten berücksichtigt worden. Das nicht-hydratisierte Kalium-Ion passt genau in das Quartett aus den vier O-Atomen. Wenn ein neues Kalium-Ion von unten ankommt, wird das obere, gebundene Kalium-Ion quasi aus diesem Sauerstoff-Quartett heraus "geschubst" und landet im Außenmedium. Angezogen werden die Kalium-Ionen durch das negativ polarisierte Endstück der kleinsten Helix [2].

Nur dehydratisierte "nackte" Kalium-Ionen passen in dieses Sauerstoff-Quartett (von denen es übrigens mehrere übereinander gelagert gibt, wie man in der Seitenansicht links sehen kann). Natrium-Ionen sind zwar kleiner, können den Kalium-Kanal trotzdem nicht passieren, wie in der nächsten Abbildung gezeigt wird:

Der bakterielle Kaliumkanal. Links: Seitenansicht, rechts: Aufsicht
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Natrium-Ionen werden zunächst nicht von dem Kalium-Kanal dehydratisiert, wie man links sieht. Die Hydrationsenthalpie von Natrium-Ionen hat mit -301 kJ/mol einen deutlich höheren Wert als die von Kalium-Ionen (-230 kJ/mol) [3]. Diesen recht hohen Energiebetrag kann der Kalium-Kanal nicht aufbringen.

Zweitens würden dehydratisierte Natrium-Ionen (angenommen, der Kanal hätte doch die erforderliche Energie zum Loswerden der Hydrathülle aufgebracht) nicht in das Sauerstoff-Quartett passen. Sie sind dafür zu klein. Nur mit zwei der O-Atome könnten Bindungen eingegangen werden, nicht aber mit vier.

Diese vier Bindungen sind aber unbedingt erforderlich, damit die Energie zur Dehydratisierung aufgebracht werden können.

Kleines Rechenbeispiel für Profis:

Die Hydrationsenergie von Kalium-Ionen beträgt -230 kJ/mol, zur Dehydratisierung müssen also 230 kJ/mol aufgebracht werden.

Im Kalium-Kanal wird diese Energie durch das Sauerstoff-Quartett geliefert, jedes O-Atom liefert rein rechnerisch dann mindestens 230/4 = 57,5 kJ/mol. Runden wir das mal vorsichtshalber auf 60 kJ/mol auf.

Das nackte Natrium-Ion kann sich nur mit zwei dieser O-Atome nicht-kovalent verbinden. Das würde dann eine Energie von rund 120 kJ/mol freisetzen. Benötigt werden zur Dehydratisierung von Natrium-Ionen aber 301 kJ/mol. Das heißt also, die Natrium-Ionen können aus energetischen Gründen im Kalium-Kanal nicht von ihren Hydrathüllen befreit werden und passen dann natürlich nicht durch den sehr engen oberen Teil der Pore; mit ihrer Hydrathülle sind sie einfach zu groß dafür.

Gesteuert wird dieser bakterielle Kalium-Kanal durch Verschieben bzw. Verdrehen der vier inneren Helices, so dass die Öffnung nach außen einfach kleiner wird, wenn sich der Kanal verschließt [2].

Wie kann man die hohe Geschwindigkeit erklären?

Man könnte nun fragen, wieso ein solcher Ionenkanal die Ionen derart schnell durch seine Pore befördert, wenn doch jedes Kalium-Ion zunächst dehydratisiert werden muss, was eine Bindung an vier O-Atome erfordert?

Haben Sie schon einmal mit einem Gartenschlauch gearbeitet, der noch komplett mit Wasser gefüllt war? Der Schlauch kann 20 Meter lang sein, trotzdem kommt sofort Wasser aus dem Schlauch heraus, sobald Sie den Wasserhahn aufdrehen.

Wäre der Schlauch komplett leer gewesen, dann hätte es jetzt eine ganz Zeit gedauert, bis das Wasser am anderen Ende herausgekommen wäre. Aber bei einem vollständig gefüllten Schlauch passiert das sofort.

So ähnlich muss man sich das mit den Kalium-Ionen in dem engen Teil der Pore vorstellen. Jede Bindungsstelle ist mit einem Kalium-Ion besetzt. Kommt nun ein neues Kalium-Ion von unten an, stößt dieses Ion das darüberliegende Ion elektrisch ab. Diese stößt seinerseits das über ihm befindliche Ione ab und so weiter. Im Endeffekt wird also das ganz außen liegende Ion sofort freigesetzt, wenn innen ein neues Kalium-Ion ankommt. Genau wie bei dem Gartenschlauch.

Weitere Einzelheiten zu Kaliumkanälen

Kaliumkanal in der Aufsicht
Quelle: Wikipedia, Artikel "Kaliumkanal", Autor: Bensaccount , Lizenz: public domain.

Auf diesem Bild aus der Wikipedia sehen wir einen detailgetreu gezeichneten Kaliumkanal von oben. Man kann jedes einzelne Atom erkennen. Achten Sie auf den Mittelpunkt der Graphik. Hier kann man gut die dunkelrot gezeichneten Sauerstoff-Atome erkennen, die mit dem dehydratisierten Kalium-Ion wechselwirken. Dass der Kanal aus vier Untereinheiten besteht, kann man nur ahnen. Allerdings fallen die vierfach vorhandenen Doppelringe (6 + 5) auf. Es könnte sich hier um die Aminosäure Tryptophan handeln.

Ein Kaliumkanal mit gebundenen Kalium-Ionen in seitlicher Ansicht
Quelle: engl. Wikipedia, Artikel "Potassium channel", Autor: Boghog2, Lizenz: public domain.

Diese Abbildung aus der englischen Wikipedia ähnelt der selbstgezeichneten Abbildung 1, allerdings sind die Helices schöner dargestellt. Man könnte jetzt denken, dass sich vier Kalium-Ionen im Selektivitätsfilter befinden. Das ist aber nicht der Fall. Es sind nur zwei Kalium-Ionen zu sehen, nämlich an den mit S2 und S4 gekennzeichneten Sauerstoff-Atomen. Die roten Kugeln an den S1- und S3-Stellen sollen Sauerstoff-Atome von Wasser-Molekülen sein - zumindest laut Abbildungsunterschrift in der englischen Wikipedia [4], die ich hier mal vollständig zitiere. Vielleicht habe ich ja auch etwas falsch verstanden:

"In this figure, only two of the four subunits of the tetramer are displayed for the sake of clarity. The protein is displayed as a green cartoon diagram. In addition backbone carbonyl groups and threonine sidechain protein atoms (oxygen = red, carbon = green) are displayed. Finally potassium ions (occupying the S2 and S4 sites) and the oxygen atoms of water molecules (S1 and S3) are depicted as purple and red spheres respectively."

Steuerungsmechanismen der verschiedenen Kaliumkanäle [5]

Spannungsaktivierte Kaliumkanäle

Das sind Kaliumkanäle, deren Öffnungszustand von dem aktuellen Membranpotenzial abhängig ist. Beim Axon der Nervenzellen werden die spannungsgesteuerten Kaliumkanäle beispielsweise durch die Depolarisierung der Membran geöffnet. Es gibt mehrere Typen spannungsgesteuerter Kaliumkanäle. Der "typische" Kaliumkanal des Axons öffnet sich beispielsweise nur sehr langsam, viel langsamer als die spannungsgesteuerten Natriumkanäle. Dies ist für den Auf- und Abbau des Aktionspotenzials auch von entscheidender Bedeutung. Es gibt aber auch einen spannungsgesteuerten Kaliumkanal im Axon, der sich sehr schnell öffnen kann.

Calciumaktivierte Kaliumkanäle

Diese Kanäle öffnen sich, wenn die intrazelluläre Ca2+-Konzentration über einen bestimmten Wert ansteigt.

G-Protein aktivierte Kaliumkanäle

Diese Kanäle werden entweder durch Bestandteile des G-Proteins selbst (β/γ-Komplex) geöffnet oder durch einen second messenger, der nach Aktivierung des G-Proteins erzeugt wurde, zum Beispiel von der Adenylatcyclase (erzeugt cAMP aus ATP).

Mechanisch aktivierte Kaliumkanäle

Solche Kaliumkanäle sitzen beispielsweise in den Sinneszellen des Innenohrs. Sie werden durch mechanische Reize geöffnet, die einen Druck oder einen Zug auf die Zellmembran ausüben.

ATP-sensitive Kaliumkanäle

Diese Kaliumkanäle öffnen sich, wenn die intrazelluläre ATP-Konzentration unter einen bestimmten Wert sinkt. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Blutzuckerspiegels, genauer gesagt, beim Blutzucker-Sensorsystem, also den Nervenzellen, die die Glucose-Konzentration des Blutes überwachen.

Quellen:

  1. Dudel, Menzel, Schmidt: Neurowissenschaften, Berlin 2001
  2. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
  3. Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.
  4. Engl. Wikipedia, Artikel "Potassium channel".
  5. Wikipedia, Artikel "Kaliumkanal"