Helmichs Biologie-Lexikon

Chromatin

Allgemeines, Eu- und Heterochromatin

Unter dem Begriff Chromatin versteht man einen leicht anfärbbaren fädigen bis netzartigen Komplex im Interphase-Zellkern, der aus DNA und Histonen besteht und bei Beginn der Mitose oder Meiose zu Chromosomen kondensiert" [1].

Man unterscheidet zwischen Euchromatin und Heterochromatin. Das Euchromatin ist sehr locker strukturiert, die DNA ist für Transkriptionsfaktoren und Polymerasen mehr oder weniger frei zugänglich. Im Lichtmikroskop kann man das Euchromatin während der Interphase nicht sehen.

Das Heterochromatin ist dagegen auch während der Interphase stark kondensiert, eine DNA-Replikation oder Transkription von Genen ist hier nicht möglich. Das Heterochromatin ist in einem guten Lichtmikroskop im Zellkern erkennbar.

Beim Heterochromatin kann man noch zwischen konstitutiven und fakultativen Heterochromatin unterscheiden. Das konstitutive Heterochromatin ist ständig kondensiert, kann also nicht aufgelockert werden. Das fakultative Heterochromatin kann reversibel zu Euchromatin werden, wenn das Ablesen der dort lokalisierten Gene notwendig ist.

Aufbau des Chromatins

Histone

Das Chromatin im Zellkern eines Eukaryoten ist zur Hälfte aus DNA und zur Hälfte aus Histonen aufgebaut. Histone sind basische Proteine mit vielen Lysin- und Arginin-Resten (Lysin und Arginin sind basische Aminosäuren). Histone kommen übrigens nur im Zellkern vor, sonst nirgends in der Zelle, auch nicht in den Chloroplasten und Mitochondrien (das könnte man ja denken, weil dort schließlich ebenfalls DNA vorhanden ist). Hergestellt werden die Histone während der S-Phase des Zellzyklus, gleichzeitig mit der DNA-Synthese. Durch die Kernporen gelangen die Histone dann in den Zellkern, wo sie noch etwas modifiziert werden, vor allem durch Acetylierung und Phosphorylierung.

Es gibt insgesamt fünf Grundtypen der Histone, die als H1, H2A, H2B, H3 und H4 bezeichnet werden. Histon H1 hat die größte Molekülmasse (>24 kDa), und Histon H4 die geringste Masse (11,5 kDa).

Core-Histone H2A, H2B, H3 und H4 werden als Core-Histone bezeichnet, weil sie für den Aufbau der Nucleosomen verantwortlich sind. Das Histon H1 hält dann die einzelnen Nucleosomen zusammen.

Histone

Wer noch mehr Einzelheiten zum Thema Histone wissen möchte, geht bitte auf diese ausführliche Lexikonseite.

Interessant ist, dass die Core-Histone auch in Abwesenheit von DNA einen Komplex aus acht Molekülen bilden können: je 2 x H2A, H2B, H3 und H4 bilden ein Octamer. Gibt man DNA dazu, dann wickelt sich die Doppelhelix um diese Octamere, und zwar in zwei Windungen mit insgesamt 145 Basenpaaren. Dann folgen ca. 60 Basenpaare freie DNA (also nicht an ein Histon oder einen Histonkomplex gebunden, auch als Linker bezeichnet), und dann kommt schon das nächste Histon-Octamer, um das sich die DNA wieder windet.

Organisation eines Nucleosoms.
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende.

So ungefährt könnte eine Kette von Nucleosomen aussehen, man spricht hier auch von einer perlenschnurartigen Struktur.

Mehrere Nucleosomen bilden eine perlenschnurartige Kette
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Gibt man nun zu einem in-vitro-System mit solchen Perlenschnüren aus locker zusammenhängenden Nucleosomen das Histon H1, dann kondensiert die Perlenschnur zu einem dickeren Faden. Je mehr H1 man dazugibt, desto stärker kondensieren die Nucleosomen zu Elementarfibrillen mit ca. 10 nm Durchmesser, die sich mit Hilfe von weiterem H1 dann zu 35 nm starken Chromatinfibrillen kondensieren.

Nicht-Histon Proteine

Das Heterochromatin ist aber noch stärker kondensiert als eben beschrieben. Allerdings haben die Histone auf diese weitere Verdichtung der DNA keinen Einfluss mehr, andere Proteine übernehmen dann diese Rolle. Schließlich bilden sich zu Beginn der Mitose oder Meiose dann die im Lichtmikroskop sichtbaren Chromosomen.

Von der DNA-Doppelhelix zum Chromosom
Richard Wheeler at en.wikipedia, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Auf dieser Graphik aus der Wikipedia ist der Weg von der "nackten" DNA-Doppelhelix zum fertigen Chromosom dargestellt.

Euchromatin

Der Unterschied zwischen Eu- und Heterochromatin
Autoren: Ky Sha1, Laurie A. Boyer 2009, Lizenz: CC-BY 3.0.

Auf dieser Zeichnung aus [3] sieht man sehr schön den Unterschied zwischen aktivem Euchromatin und inaktivem Heterochromatin. Durch posttranslationale Modifizierung der Histone (Acetylierung, Phosphorylierung) ist das Euchromatin so locker organisiert, dass hier die Transkription von Genen stattfinden kann. Die meisten Gene der Eukaryoten befinden sich in diesem Euchromatin, während die DNA im Heterochromatin oft aus sogenannten repetitiven Sequenzen besteht, die viele andere Aufgaben haben, die oft noch gar nicht geklärt sind.

Quellen:

  1. Savada, Hillis, Heller, Hacker: Purves Biologie, Springer Verlag Deutschland 2019, 10. Auflage. Herausgegeben von Jürgen Markl.
  2. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  3. engl. Wikipedia, Artikel "Euchromatin".