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Die Unabhängigkeitsregel

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Ein weiterer klassischer Versuch

Mendel hat seine berühmten Versuche vor allem mit Erbsen durchgeführt. Unter anderem kreuzte er auch Pflanzen mit zwei Merkmalen, zum Beispiel Erbsen, die gelbe Schoten bilden mit Pflanzen, die grüne Schoten bilden. Als zweites zu untersuchendes Merkmal wählte Mendel die Form der Schoten. Bei manchen Pflanzen waren die Schoten einfach gewölbt, bei anderen waren sie eingeschnürt, so dass man die einzelnen Erbsen schon sehen konnte.

Betrachten wir nun zuerst die Chromosomen der Körperzellen und der Keimzellen:

Kreuzungsexperiment zur 3 Mendelschen Regel
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.

Bei diesem Erbgang sind zwei Gene relevant, die sich auf zwei verschiedenen Chromosomen befinden. In den diploiden Körperzellen sehen wir daher vier Chromosomen (die anderen Chromosomen sind nicht mit eingezeichnet).

Das eine Gen ist für die Farbe der Schoten zuständig. Es liegt in den Ausführungen G = green (grün) und y = yellow (gelb) vor. Dabei ist G dominant über y, was man ja auch schon an der Großschreibung erkennt.

Das andere Gen ist für die Form der Schoten verantwortlich. Auch hier liegen zwei Allele vor, nämlich R für rough (runzelig) und s für smooth (glatt). Das Allel Y ist dominant über das Allel y.

In den Chromosomen wurden die Gene bzw. Allele farbig markiert. Bei den Farben der Schoten war das kein Problem, hier wurde einfach gelb für Y und grün für G gewählt. Für die runzeligen Schoten wurde die Farbe dunkelblau für R gewählt, für die glatten Schoten die Farbe hellblau für s.

Es gibt nun vier Typen von männlichen Keimzellen, nämlich yR, ys, Gr und Gs und entsprechend viele Typen von weiblichen Keimzellen, wenn beide Eltern den heterozygoten Genotyp GyRs haben. Daher gibt es 16 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten der Keimzellen. Die 16 möglichen Zygoten stellt man am besten in einer Tabelle dar, bereits Mendel hat das schon so gemacht:

Kreuzungsexperiment zur 3 Mendelschen Regel
Autor: Ulrich Helmich 2022, Erbsensymbole von LadyOfHats, Lizenz: Public domain.

Wenn wir genau hinsehen, werden wir feststellen, dass in der Tochtergeneration jetzt keineswegs 16 verschiedene Genotypen auftauchen. Schauen wir uns die Sache mal etwas genauer an:

  1. GGRR: 1x
  2. GGRs: 2x
  3. GGss: 1x
  4. GyRR: 2x
  5. GyRs: 4x
  6. Gyss: 2x
  7. yyRR: 1x
  8. yyRs: 2x
  9. yyss: 1x

Das sind also nur 9 verschiedene Genotypen. Bei den Phänotypen haben wir noch weniger Varianz vorliegen, es gibt nur vier verschiedene:

  1. Grün/runzelig: 9
  2. Grün/glatt: 3
  3. Gelb/runzelig: 3
  4. Gelb/glatt: 1

Genau dieses Zahlenverhältnis der Phänotypen, 9:3:3:1, hat auch Mendel bei seinen Versuchen entdeckt.

Eine viel wichtigere Entdeckung als diese Zahlenverhältnisse war aber die Tatsache, dass die Farbe und die Form der Schoten unabhängig voneinander vererbt werden. Wären beispielsweise die gelben Schoten immer auch gleichzeitig glatt, so würde keine unabhängige Vererbung vorliegen.

Tipp für Schüler(innen):

Wenn Sie ein solches Erbschema aufstellen müssen, beispielsweise in einer Biologie-Klausur der Oberstufe, dann gehen Sie am besten wie folgt vor:

Zuerst machen Sie sich die Genotypen der Samenzellen und Eizellen klar. Dann tragen Sie diese in eine entsprechende Tabelle ein, beispielsweise die Genotypen der Samenzellen in die obere Reihe, die Genotypen für die Eizelle in die linke Spalte. Die Tabelle müsste also die Größe von 5 Zeilen und 5 Spalten haben.

Dann übertragen Sie den Genotypen, der oben in jeder Spalte steht, in alle vier Zellen dieser Spalte. Lassen Sie aber Platz zwischen den beiden Buchstaben, es müssen ja noch die Genotypen des anderen Geschlechts ergänzt werden.

Wenn Sie alle vier Spalten entsprechend ausgefüllt haben, machen Sie das Gleiche für die vier Zeilen. Tragen Sie die Genotypen, die ganz links stehen, in die vier Felder der jeweiligen Reihe ein. Schreiben Sie das Symbol für das erste Allel zwischen die beiden Symbole, die bereits eingetragen sind, und das Symbol für das zweite Allel schreiben Sie neben das dritte Symbol. So stehen jetzt vier Symbole in jeder Zelle.

Hier sehen Sie eine solche Tabelle. Die Spalten wurden bereits vollständig ausgefüllt, und die obere Zeile ist ebenfalls bereits fertig. Es müssen nur noch die unteren drei Reihen ausgefüllt werden. Der Einsatz von Farben erleichtert das Ausfüllen ein wenig.

Unabhängigkeitsregel

Bei einem dihybriden Erbgang werden die beiden Merkmale unabhängig voneinander vererbt.

Die Erklärung nach der Chromosomentheorie

Mit der Chromosomentheorie kann die Unabhängigkeitsregel sehr leicht erklärt werden.

Das Gen für das eine Merkmal (hier die Schotenfarbe) liegt auf einem Chromosomen, sagen wir mal, auf Chromosom Nr. 17. Das Gen für das andere Merkmal (hier die Schotenform), liegt auf einem anderen Chromosom, beispielsweise auf Chromosom Nr. 3.

Sowohl bei der Mitose wie auch bei der Meiose bewegen sich diese beiden Chromosomen völlig unabhängig voneinander in die jeweiligen Tochterzellen. Und wenn jedes Chromosom in zwei verschiedenen Ausführungen vorkommt, wenn das jeweilige Gen also zwei Allele hat, dann werden auch die Allele völlig unabhängig voneinander auf die Keimzellen verteilt.

Molekularbiologischer Erklärungsversuch der Dominanz

Synthese des grünen Farbstoffs
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Stellen wir uns vor, für die Synthese des grünen Farbstoffs der Erbsenschote sind zwei Enzyme erforderlich. Das erste Enzym stellt aus einem farblosen Ausgangsstoff einen gelben Farbstoff her, der zweite Enzym wandelt den gelben Farbstoff in einen grünen Farbstoff um. Die Gene für die beiden Enzyme liegen auf verschiedenen Chromosomen, was hier jetzt aber keine Rolle spielt.

Da von jedem Chromosom zwei Exemplare in den Zellen vorhanden sind, wurde auch das Syntheseschema zweimal gezeichnet.

Wenn durch eine Mutation das Gen für das Enzym 2 beschädigt wird oder ganz ausfällt, arbeitet auch das Enzym 2 nicht mehr korrekt. Der grüne Farbstoffe wird nicht mehr hergestellt, und der gelbe Farbstoff kann nicht mehr weiterverarbeitet werden, er reichert sich in den Zellen an. Die Schoten werden dann gelb.

Wie kann man nun die Dominanz des grünen Farbstoffs erklären? Auch hierzu kann man sich eine einfache Modellvorstellung "basteln":

Modellvorstellung der Dominanz
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

In der oberen Reihe der Abbildung sehen wir eine intakte Farbstoffsynthese und eine Farbstoffsynthese, bei der das Enzym für die Bildung des grünen Farbstoffs nicht mehr arbeitet. Die Schoten sollten eigentlich gelbgrün aussehen. Das wäre dann der Fall, wenn der Erbgang intermediär wäre.

Die Dominanz der grünen Farbe könnte man so erklären, wie in dem unteren Teil des Schemas dargestellt. Ist die Pflanze heterozygot in Bezug auf die Schotenfarbe, so besitzt sie ein intaktes Gen 2 und ein defektes Gen 2. Das intakte Gen 2 produziert nun das Enzym 2, das dann den grünen Farbstoff herstellen kann.

Nun könnte man einwenden: Das gelbe Zwischenprodukt wird zwar in den grünen Farbstoff überführt, aber es ist ja nur die Hälfte von Enzym 2 vorhanden wie in einer nicht-mutierten Pflanze. Die Konzentration des grünen Farbstoffs dürfte also auch nur halb so groß sein wie in einer nicht-mutierten Pflanze.

Was man hier leicht vergisst, sind die Kontroll- und Regulationsmechanismen eukaryotischer Zellen. Vielleicht wird ja die Transkriptionsrate für das Gen 2 erhöht, wenn festgestellt wird, dass das Gen 2 auf dem einen Chromosom defekt ist. Wer weiß, da gibt es so viele Möglichkeiten der Genregulation, dass selbst Fachleute Schwierigkeiten haben, da durchzublicken.

Quellen:

  1. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  2. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.