Offizielle Formulierung
Die Schülerinnen und Schüler
- erklären Redoxreaktionen in organischen Synthesewegen unter Berücksichtigung der Oxidationszahlen.
Redoxreaktionen
Hier erstmal ein paar wichtige Fachbegriffe:
- Elektronendonator = Teilchen, das Elektronen abgeben kann
- Elektronenakzeptor = Teilchen, das Elektronen aufnehmen kann.
- Oxidation = Abgabe von Elektronen
- Reduktion = Aufnahme von Elektronen
- Redoxreaktion = Transfer von Elektronen von einem Elektronendonator auf einen Elektronenakzeptor.
Viele organische Reaktionen sind mit Reduktionen oder Oxidationen verbunden, was man oft auf den ersten Blick gar nicht sieht. Schüler(innen), die aus der Sekundarstufe I kommen, stellen sich Oxidationen immer noch gern als "Aufnahme von Sauerstoff" vor, was teilweise ja auch korrekt ist. Wenn man einen Aldehyd oxidiert, so dass eine Carbonsäure daraus entsteht, wird tatsächlich ein Sauerstoff-Atom aufgenommen.
Oxidationszahlen
Der Begriff der Oxidationszahlen ist ein formales Konzept und hat wenig mit den physikalischen oder chemischen Eigenschaften einer Verbindung zu tun. Man schaut einfach, wie viele Elektronen formal zu einem bestimmten Atom gezählt werden können, unabhängig davon, ob sie sich tatsächlich bei diesem Atom aufhalten oder nicht.
Ist A-B eine polare kovalente Bindung zwischen einem Atom A und einem elektronegativeren Atom B, dann werden beide Bindungselektronen formal dem Atom E zugeschlagen, obwohl sie sich natürlich zwischen den beiden Atomen aufhalten, mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit in der Nähe von Atom B.
Am Beispiel des Methans kann man sich das leicht klar machen: Das C-Atom hat eine EN von 2,5, während die H-Atome eine EN von nur 2,2 besitzen. Alle acht Bindungselektronen des CH4-Moleküls werden daher dem C-Atom zugeordnet, welches nun 8 Elektronen auf der Außenschale "besitzt". Die Oxidationszahl des C-Atoms ist aber nicht 8, sondern -IV.
Laut Periodensystem hat ein C-Atom vier Außenelektronen. Wenn es also im Methan-Molekül formal acht Elektronen besitzt, hat es vier zu viel. Daher ist die Oxidationszahl -IV. Oxidationszahlen werden grundsätzlich als römische Ziffern geschrieben. Und negativ ist der Wert, weil das C-Atom ja mehr Elektronen besitzt, als es laut Periodensystem eigentlich sollte.
Wird das Methan zum Methanol oxidiert, so erhält es ein Sauerstoff-Atom dazu. Diese Oxidation entspricht also voll dem klassischen Oxidationsbegriff aus der Sekundarstufe I: Aufnahme von Sauerstoff. Für die Sekundarstufe II ist aber wichtig, inwieweit sich die Oxidationszahl des C-Atoms geändert hat. Daraus kann man nämlich ableiten, ob das C-Atom formal Elektronen aufgenommen oder abgegeben hat, also reduziert oder oxidiert wurde.
Der Sauerstoff ist elektronegativer als der Kohlenstoff, daher werden die beiden Elektronen der C-O-Bindung dem O-Atom zugeschlagen. Das C-Atom hat nun nur noch die sechs Elektronen den drei C-H-Bindungen. Das sind immerhin noch zwei mehr, als Kohlenstoff laut Periodensystem haben sollte. Somit ist die Oxidationszahl des C-Atoms jetzt -II (sechs Elektronen statt vier). Formal hat das C-Atom bei der Reaktion also zwei Elektronen abgegeben, denn vorher hatte es ja die Oxidationszahl -IV.
Erhitzt man Methanol nun mit geeigneten Chemikalien, so bildet sich Methanal (Formaldehyd). Das C-Atom ist über eine Doppelbindung mit einem O-Atom verbunden und hat nur noch zwei H-Atome. Die vier Elektronen dieser beiden C-H-Bindungen werden dem C-Atom zugeschlagen, aber die vier Elektronen der C=O-Doppelbindung "gehören" nun dem elektronegativeren Sauerstoff. Formal besitzt der Kohlenstoff jetzt vier Elektronen, also genau so viele, wie er laut Periodensystem haben sollte. Logischerweise ist die Oxidationszahl jetzt 0. Die Reaktion von Methanol zu Methanal ist eine Oxidation um zwei Stufen, es wurden formal zwei Elektronen abgegeben. Hier sehen wir, dass Oxidation auch ohne die Aufnahme von Sauerstoff funktioniert, denn das Methanol-Molekül hat nur ein O-Atom, und das Methanal-Molekül ebenfalls nur ein O-Atom.
Dieses Thema wird im Chemiekurs der Stufe EF ausführlich behandelt.
Die Präsentation "Oxidation der Alkohole" können Sie gegen eine kleine Kostenbeteiligung von mir erhalten.
Bei der Umsetzung von Methanal zu Methansäure wird wieder ein O-Atom aufgenommen. Das C-Atom ist nur noch mit einem H-Atom verbunden, aber mit zwei O-Atomen. Formal besitzt es daher nur noch zwei Elektronen und hat die Oxidationszahl +II.
Auf dieser Seite des Chemie-Lexikons finden Sie weitere Beispiele für die Berechnung von Oxidationszahlen.
Die Präsentation "Oxidationszahlen" können Sie ebenfalls gegen eine kleine Kostenbeteiligung von mir erhalten.
Andere Reaktionen
Wie ist es bei der Reaktion von Ethan mit Chlor zu 1,2-Dichlor-ethan? Findet hier auch eine Oxidation statt?
Jedes C-Atom des Ethans ist mit drei H-Atomen verbunden und "besitzt" daher sechs Elektronen. Die beiden C-Atome haben die gleiche Elektronegativität, daher werden die beiden Bindungselektronen der C-C-Einfachbindung auf beide C-Atome verteilt. Jedes C-Atom "besitzt" damit sieben Elektronen. Die Oxidationszahlen beider C-Atome sind daher -III (sieben Elektronen statt vier).
Das Reaktionsprodukt, 1,2-Dichlor-ethan, besitzt zwei Cl-Atome, die elektronegativer sind als die C-Atome. Die beiden Bindungselektronen der C-Cl-Bindungen werden also den Chlor-Atomen zugeschlagen. Jedes C-Atom ist nur noch mit zwei H-Atomen verbunden (= 4 Elektronen) und einem anderen C-Atom (= 1 Elektron), und hat daher formal fünf Elektronen. Die Oxidationszahl der beiden C-Atome ist jetzt also -I.
Bei der Chlorierung von Ethan hat sich also die Oxidationszahl der C-Atome von -III auf -I verändert. Man kann also sagen, dass bei dieser Reaktion jedes C-Atom zwei Elektronen abgegeben hat. Die C-Atome wurden also oxidiert, und zwar um zwei Stufen, ohne dass Sauerstoff aufgenommen wurde. Allerdings wurde Wasserstoff abgegeben und durch Chlor ersetzt, und in der Sekundarstufe I lernt man ja, dass auch die Abgabe von Wasserstoff eine Oxidation ist.