Entropie ist eigentlich nichts anderes als der Fachbegriff für "Unordnung". Am besten kann man sich diesen Begriff klar machen, wenn man an einem Schreibtisch sitzt.
Das Schreibtisch-Beispiel

Ein Lehrer am entropiereichen Schreibtisch
Autor: Ulrich Helmich 11/2024, Bild generiert von Adobe Photoshop 2024. Lizenzrechtliche Informationen.
Dieses schöne Bild, das ich eben mit Photoshop 2025 generiert habe, zeigt das Arbeitszimmer eines Lehrers, der an einem extrem unaufgeräumten Schreibtisch sitzt. So ähnlich sieht das bei mir auch aus, während ich gerade diesen Text schreibe.
Wenn dieser Lehrer nun seinen Schreibtisch aufräumt, sieht das alles sehr viel ordentlicher aus - die Entropie des Schreibtischs hat abgenommen.
Der Normalzustand ist das allerdings nicht, wie jeder weiß, der einen Schreibtisch besitzt. Normalerweise sieht der Schreibtisch so aus wie auf dem Bild - oder noch schlimmer. Wenn man nicht ständig aufräumt, nimmt die Entropie des Systems "Schreibtisch" ständig zu.
Überhaupt nimmt die Entropie eines Systems ständig zu - wenn man nicht eingreift und dies verhindert. Drei Beispiele sollen diese ständige Entropie-Zunahme verdeutlichen.
Drei weitere Beispiele für Entropie-Zunahme
Beispiel 1: Temperatur-Ausgleich

Zwei Steine
Autor: Ulrich Helmich 11/2024, Bild generiert von Adobe Photoshop 2024. Lizenzrechtliche Informationen.
Hier sehen wir zwei Steine, die auf einer Wiese nebeneinander liegen. Auch dieses Bild wurde wieder von Photoshop generiert. Der linke Stein ist eiskalt, von einer Eisschicht überzogen. Der rechte Stein ist glühend heiß. Dies ist ein Zustand geringer Entropie - also sehr aufgeräumt. Die Kälte ist links, die Hitze rechts.
Lässt man die beiden Steine nun für ein paar Stunden auf der Wiese liegen, haben sich ihre Temperaturen angeglichen. Beide Steine sind gleich warm. Es ist zu einem Temperatur-Ausgleich gekommen, nachdem anfangs ein Temperatur-Unterschied geherrscht hat.
Ein ähnliches Phänomen kennen Sie selbst aus dem Alltag. In Ihrem Zimmer herrscht eine Temperatur von 21 ºC, draußen aber nur von 15 ºC. Wenn Sie nun das Fenster auflassen und nach zwei oder drei Stunden in das Zimmer zurück kommen, herrscht in dem Zimmer ebenfalls eine Temperatur von 15 ºC. Es hat ein Temperatur-Ausgleich stattgefunden. Draußen ist es etwas wärmer geworden, aber das können Sie mit keinem noch so genauen Thermometer der Welt überprüfen, weil sich die Wärme Ihres Zimmers über die ganze Stadt verbreitet hat.
Beispiel 2: Druck-Ausgleich

Druck-Ausgleich bei einem Autoreifen
Autor: Ulrich Helmich 11/2024, Bild generiert von Adobe Photoshop 2024. Lizenzrechtliche Informationen.
Hier sehen wir ein weiteres Beispiel für eine Entropie-Zunahme. Das Ventil eines Autoreifens hat sich gelockert, und die Luft entweicht schlagartig. Im Innern des Reifens herrscht ein hoher Luftdruck, außerhalb des Reifens ein normaler Druck. Durch diesen Druck-Unterschied angetrieben, strömt nun die Luft aus dem Reifen heraus, bis im Innern des Reifens der gleiche Druck herrscht wie außen: Druck-Ausgleich.
Beispiel 3: Konzentrations-Ausgleich

Konzentrations-Ausgleich in einer Tasse Tee
Autor: Ulrich Helmich 11/2024, Bild generiert von Adobe Photoshop 2024. Lizenzrechtliche Informationen.
In diesem Glas befindet sich heißer Tee mit zwei Stücken Würfelzucker. Wenn Sie nun ein paar Stunden abwarten, finden Sie, dass sich der Zucker in dem Tee komplett aufgelöst hat. Die Zucker-Teilchen haben sich gleichmäßig in dem Tee verteilt. Aus dem Biologie-Unterricht kennen Sie solche Phänomene als Diffusion. Die Triebkraft für jede Diffusion ist ein anfänglicher Konzentrations-Unterschied. In dem Streben nach Konzentrations-Ausgleich diffundieren die Teilchen nun so lange hin- und her, bis an allen Stellen des Systems die gleiche Konzentration herrscht.
Aufgabe
In dem letzten Satz "In dem Streben..." befindet sich ein Denkfehler. Finden Sie den Fehler und erläutern Sie!
Lösungsvorschlag
Die einzelnen Teilchen "streben" nicht nach einem Konzentrations-Ausgleich. Vielmehr stellt sich der Konzentrations-Ausgleich von selbst ein, weil sich jedes einzelne Teilchen ungezielt und ungerichtet zufällig hin- und herbewegt. Nach einiger Zeit haben sich die Teilchen von selbst und ohne Absicht so verteilt, dass überall die gleiche Konzentration herrscht.
Auf diesen Seiten aus der Zellbiologie-Abteilung können Sie alles über diese beiden Prozesse nachlesen.
Weitere Überlegungen
Aufgabe
Erläutern Sie, was die vier genannten Beispiele gemeinsam haben!
Lösungsvorschlag
An Anfang eines jeden Beispiels herrschte ein Zustand hoher Ordnung bzw. geringer Entropie. Der Schreibtisch war aufgeräumt, bei den Steinen herrschte ein Temperatur-Unterschied, im U-Rohr ein Volumen-Unterschied bzw. im vierten Beispiel ein Konzentrations-Unterschied.
Im Laufe der Zeit kam es aber in allen vier Systemen zu einem Ausgleichsprozess. Die Teile auf dem Schreibtisch verteilten sich wahllos, die Temperaturen waren in beiden Steinen gleich, das Volumen in den Schenkeln des U-Rohrs war in beiden Schenkeln gleich, und im vierten Beispiel herrschte in beiden Schenkeln die gleiche Kaliumpermanganat-Konzentration.
Am Ende des Ausgleichsvorgangs herrschte überall ein Zustand hoher Unordnung (hoher Entropie).
Aufgabe
Betrachten Sie die vier Ausgleichsprozesse unter dem Energie-Aspekt!
Lösungsvorschlag
Alle vier Ausgleichsprozesse liefen spontan und freiwillig ab, es musste keine Energie zugeführt werden. Wollte man diese Prozesse aber umkehren, müsste man Energie zuführen. Das Aufräumen eines Schreibtischs kostet Energie, das Erhitzen des einen Steins und das Abkühlen des anderen Steins kostet Energie, das Hochpumpen von Wasser kostet Energie, und die Erzeugung eines Konzentrations-Unterschiedes kostet ebenfalls Energie, auch wenn das jetzt nicht ganz so klar ist wie bei den drei anderen Beispielen.
Aufgabe
Betrachten Sie das vierte Beispiel mit dem Konzentrations-Ausgleich. Der Zustand nach dem Konzentrations-Ausgleich sieht doch sehr viel ordentlicher aus als der Zustand vorher mit dem Konzentrations-Unterschied. Wieso kann man jetzt von einer Zunahme der Entropie bzw. Unordnung sprechen?
Lösungsvorschlag
In dem Zustand links befinden sich alle Kaliumpermanganat-Moleküle in dem linken Schenkel. Daher weiß man sofort, wo sich jedes Kaliumpermanganat-Molekül befindet. In dem Zustand rechts befinden sich 50% der Kaliumpermanganat-Moleküle in dem linken Schenkel, 50% in dem rechten Schenkel. Man weiß überhaupt nicht, wo ein bestimmtes Kaliumpermanganat-Molekül gerade ist. Es kann sich links oder rechts aufhalten. Und genau diese Unsicherheit ist ein Zustand hoher Unordnung bzw. Entropie.
Kommen wir nun zur Kurz-Definition des Begriffs "Entropie":
Entropie
Ein Maß für die "Unordnung" eines Systems. In der unbelebten Natur laufen alle Ausgleichsprozesse (zum Beispiel Diffusion) so ab, dass die Entropie zunimmt.
Aufgabe
Beurteilen Sie, ob die Aussage: "Der Konzentrations-Unterschied ist die treibende Kraft für eine Diffusion" hundertprozentig korrekt ist.
Lösungsvorschlag
In vielen Schulbüchern findet man diesen oder einen ähnlichen Satz. Eigentlich ist das Streben nach Entropie-Zunahme die treibende Kraft für die Diffusion. Der Zustand des Konzentration-Ausgleichs ist entropiereicher als der Zustand, bei dem ein Konzentrations-Unterschied besteht.
Entropie und Leben
Warum beschäftigt man sich in der Biologie überhaupt mit dem Thema "Entropie"? Manche Menschen behaupten ja, eigentlich sei Leben unmöglich, weil es dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik widerspricht, nachdem alles im Universum nach einer Entropiezunahme strebt. Einige Beispiele aus der unbelebten Natur haben wir ja bereits kennen gelernt. Die Lebewesen sind hochgeordnete Systeme und müssten eigentlich spontan, freiwillig in einen ungeordneten (toten) Zustand übergehen. Genau das ist ja auch der Fall, sobald ein Lebewesen stirbt. Dann wird keine Energie mehr von außen zugeführt, und die Natur geht ihren Weg der Entropiezunahme. Nur durch die ständige Aufnahme von Energie in Form von Sonnenstrahlung oder dem Verbrennen energiereicher Nährstoffe kann der hochgeordnete entropiearme Zustand der Lebewesen aufrecht erhalten werden.
Darum ist der Entropie-Begriff in der Biologie so wichtig, und weil der entropiearme Zustand nur durch den ständigen Stoffwechsel der Lebewesen aufrecht erhalten werden kann, sollte man das Thema "Entropie" auch zu Beginn eines Stoffwechsel-Kurses behandeln.
Seitenanfang -
Weiter mit
der Gibbs-Helmholtz-Gleichung ...