Helmichs Biologie-Lexikon

Mikrotubuli

Bedeutung und Funktion der Mikrotubuli

Mikrotubuli sind wichtige Bestandteile des Cytoskeletts sowohl tierischer wie auch pflanzlicher Zellen. Auch die Geißeln der eukaryotischen Einzeller bestehen aus Mikrotubuli.

Sie stabilisieren die Zelle mechanisch und sind auch für ihre äußere Form mitverantwortlich. Mikrotubuli sind aber mehr als reine Gerüst- oder Skelett-Elemente. Mikrotubuli sind nämlich auch für Bewegungen im Zellplasma sowie Bewegungen der ganzen Zelle verantwortlich. Außerdem sind Mikrotubuli Gleitschienen für den Transport von Vesikeln innerhalb der Zelle [1]. Mit Hilfe bestimmter Bewegungsproteine "hangeln" sich die Vesikel an den Mikrotubuli entlang zu ihren Zielorten. Bei der Zellteilung spielen Mikrotubuli ebenfalls eine entscheidende Rolle, sie bilden unter anderem die Teilungsspindel bei der Mitose. Die Centriolen, die zu zweit ein Centrosom bilden, bestehen ebenfalls aus Mikrotubuli. Centrosomen spielen eine wichtige Rolle bei der Mitose, wenn sich die Teilungsspindel bildet.

Mikrotubuli sind mehr oder weniger starre Strukturen, die Druckkräfte übertragen können, im Gegensatz zu Actin-Filamenten, die hohe Zugkräfte aushalten können. In einer Zelle sind Mikrotubuli und Actin-Filamente miteinander verbunden und arbeiten zusammen, um die oben genannten Funktionen zu erfüllen [2,4].

Bildung und Aufbau eines Mikrotubulus

Bau eines Mikrotubulus
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Ein Mikrotubulus ist hierarchisch organisiert. Die kleinste Baueinheit ist das Tubulin, ein kleines globuläres Protein mit einer Masse von nur 50.000 kD (Kilodalton) und einem Durchmesser von 5 nm.

Es gibt zwei Formen des Tubulins, das alpha- und das beta-Tubulin, die auch von verschiedenen Genen codiert werden.

Tubulin

Weitere Einzelheiten zum Protein Tubulin finden Sie auf dieser Lexikonseite.

Je ein alpha- und beta-Tubulin-Molekül bilden ein Tubulin-Heterodimer ("hetero", weil das Dimer aus zwei verschiedenen Molekülen besteht). Die beiden Protein-Moleküle werden nur durch schwache chemische Bindungen zusammengehalten, nicht aber durch kovalente Bindungen.

Viele Tubulin-Heterodimere schließen sich dann zu einem langen Protofilament zusammen. Ein Mikrotubulus besteht aus 13 dieser Protofilamente, die leicht versetzt zu einem Ring angeordnet sind. Der Ring hat einen Durchmesser von 20 bis 30 nm, das kann je nach Zelle und je nach Organismus unterschiedlich sein.

Mikrotubuli sind sehr vergängliche Strukturen des Cytoskeletts. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Mikrotubulus beträgt ca. 10 Minuten.

Auf einer Strecke von 1 µm haben ca. 1.600 solcher Heterodimere Platz [3].

Wachstum eines Mikrotubulus
Quelle: Spanische Wikipedia, Artikel "Microtúbulo", Autor: Sanador2.0,
Übersetzung und leichte Vereinfachung der Graphik: Ulrich Helmich,
Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International

Die Abbildung 2 aus der spanischen Wikipedia zeigt, wie ein Mikrotubulus wächst. Ein Mikrotubulus ist polar: Er hat ein Minus-Ende und ein Plus-Ende. An das Plus-Ende werden ständig neue Heterodimere angelagert, deren beta-Tubulin-Einheit mit GTP verbunden sind. GTP ist ähnlich wie ATP ein Energie-Lieferant. Nach einiger Verweildauer im Mikrotubulus wird das GTP dann hydrolysiert und gibt eine Phosphatgruppe ab. Es bilden sich Heterodimer-GDP-Komplexe. Diese Heterodimer-GDP-Komplexe haben eine andere Konformation als die ursprünglichen Heterodimer-GTP-Komplexe, sie sind nämlich leicht abgeknickt. Das wiederum hat Folgen für die Stabilität des Mikrotubulus. Die Knicke in den Komplexen sorgen für eine gewisse Spannung, und das wiederum führt dazu, dass sich nach und nach die Heterodimer-GDP-Komplexe aus dem Mikrotubulus herauslösen.

Am Plus-Ende lagern sich ständig Heterodimer-GTP-Komplexe an, dort wächst der Mikrotubulus, und am Minus-Ende lösen sich ständig Heterodimer-GDP-Komplexe. Auf diese Art und Weise kann ein Mikrotubulus quasi durch die Zelle "kriechen", indem er auf dem einen Ende ständig wächst und an dem anderen Ende ständig Material verliert.

Drogen können das Wachstum der Mikrotubuli beeinflussen

Schon sehr früh hatte man den Einfluss von Colchicin auf den Ablauf der Mitose erkannt und für wissenschaftliche Zwecke benutzt. Colchicin, ein Gift aus der Herbstzeitlosen, bindet nämlich an beta-Tubulin und verhindert den Einbau der Heterodimere in das Plus-Ende der Mikrotubuli. Auch andere Drogen wie Vinblastin haben einen ähnlichen Effekt.

Für die Krebsbekämpfung könnte dies interessant werden, denn Krebszellen teilen sich unentwegt, und Mikrotubuli spielen bei der Zellteilung eine entscheidende Rolle: Sie binden an die Centromere der Chromosomen und sorgen dafür, dass die Chromatiden, also die Längshälften der Chromosomen, zu den Zellpolen gezogen werden. Colchicin und andere Stoffe verhindern die Bildung solcher Mitosespindeln und unterbinden bzw. hemmen damit die Zellteilung [2].

Eine andere Droge, nämlich Taxol, arbeitet genau andersherum. Taxol verhindert den Zerfall von Mikrotubuli am Minus-Ende, stabilisiert also die Mikrotubuli.

Auch diese und ähnliche Drogen werden in der Krebsbekämpfung verwendet. Während der Mitose werden zwar zunächst Mikrotubuli gebildet, aber damit die Zellteilung geordnet ablaufen kann, müssen diese Mikrotubuli auch wieder abgebaut werden; die Heterodimere werden dann für die Bildung neuer Mikrotubuli an anderen Stellen der Zelle benötigt. Wenn die Mikrotubuli aber nicht mehr abgebaut werden können, hat sich die Bildung neuer Mikrotubuli erledigt. Bei der Bekämpfung von Eierstockkrebs hat sich Taxol schon seit 1993 bewährt [2]

Mitose

Bei der Mitose haben Mikrotubuli eine entscheidende Rolle. Wenn Sie sich generell über den Ablauf der Mitose informieren wollen, sind Sie auf dieser Seite richtig.

Mikrotubuli und Alzheimer-Krankheit

In den Axonen von Nervenzellen sind die langgestreckten, parallel zum Axon verlaufenden Mikrotubuli wichtig für den axonalen Transport. Diese gerade und parallele Ausrichtung der Mikrotubuli wird durch das Protein Tau bewirkt. Bei der Alzheimer-Krankheit löst sich dieses Protein von den Mikrotubuli und sammelt sich im Zellplasma an. Die Mikrotubuli können sich dann nicht mehr gerade und parallel ausrichten, der axonale Transport funktioniert nicht mehr und die Nervenzelle degeneriert [5].

Mikrotubuli in Pflanzenzellen

Auch in Pflanzenzellen spielen Mikrotubuli eine wichtige Rolle. Sie kleiden in parallelen Strängen den Randbereich des Cytoplasmas aus (corticale Mikrotubuli). Kurz vor der Mitose werden diese abgebaut und es entsteht ein Präprophaseband, das sich wie ein Gürtel um den Zellkern legt. In der späten Prophase verschwindet dieser Gürtel aus Mikrotubuli wieder, stattdessen entsteht die Mitosespindel, und die Kernhülle löst sich auf [4].

Quellen:

  1. Wikipedia, Artikel "Mikrotubulus"
  2. Plattner, Hentschel: Zellbiologie, 5. Auflage. Stuttgart 2017.
  3. "Tubulin Protocols (Mitchison Lab)" auf der Seite des Max Planck Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik
  4. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  5. Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018