Helmichs Chemie-Lexikon

Raffinose

Struktur

Das Raffinose-Molekül besteht aus einem α-Galactose-, einem α-Glucose- und einem β-Fructose-Baustein, ist also ein Trisaccharid.

Bildung des Raffinose-Moleküls
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Eigenschaften

Raffinose bildet farblose Prismen, der Schmelzpunkt des Pentahydrats liegt bei 80 ºC, wasserfreie Raffinose zersetzt sich bei 118 ºC. Die Dichte beträgt 1,465 g/cm3, der Geschmack ist sehr schwach süß bis geschmacklos. Raffinose ist sehr gut in Wasser löslich (143 g / Liter) [4]. Mit Fehling-Lösung wird kein positiver Nachweis erzielt, da das Molekül kein entständiges Monomer besitzt, das mit einer Kettenform im Gleichgewicht steht[1].

Bedeutung

Raffinose ist ein Trisaccharid, das in Pflanzen vorkommt. Bei der Zucker-Raffination (Zuckerherstellung) findet man Raffinose in der Melasse, einem Abfallprodukt der Herstellung von Saccharose aus Zuckerrüben. Dies wurde bereits 1876 entdeckt [7]. Melasse ist die zähflüssige dunkelbraune Substanz, die beim Zentrifugieren des Dicksaftes abgeschleudert wird. Ein hoher Raffinose-Gehalt der Zuckerrüben vermindert die Ausbeute an Saccharose [1], weil das Trisaccharid den Kristallisationsprozess des Zuckers stört [7]. Eigenartigerweise kommt Raffinose im Zuckerrohr, der anderen wichtigen Quelle für Saccharose, nicht vor [1]. Das könnte an den Standortfaktoren liegen. Zuckerrohr kommt in sehr warmen Gegenden vor, Zuckerrüben dagegen in eher kühlen Regionen wie Nordeuropa. Raffinose dient wahrscheinlich der Zuckerrübe als Gefrierschutzmittel in den Zellen [5]. Auch eine Funktion als Schutzmittel vor oxidativem Stress wurde für Raffinose nachgewiesen [7]. Und im Chloroplasten der grünen Pflanzen stabilisiert Raffinose das Photosystem II und die Thylakoidmembran [7].

Bei der Zuckerherstellung gibt dem Dicksaft ein gentechnisch hergestelltes Enzym dazu, die Raffinase. Alternativ gibt man gleich zu Beginn der Zuckergewinnung einen harmlosen Schimmelpilz dazu, der natürliche Raffinase enthält. Dieses Enzym spaltet die Galactose aus der Raffinose ab, und übrig bleibt Saccharose [7].

Auch in Hülsenfrüchten (Erbsen, Bohnen) ist Raffinose in größeren Mengen enthalten. Bei Erbsen und Bohnen kann die Trockenmasse sogar 5 bis 15% Raffinose enthalten. Hier ist die Raffinose teilweise ein Ersatz für die Stärke also Speichersaccharid. Auch als Transportsubstanz für Glucose kann Raffinose bei einigen Pflanzen dienen (Kürbisgewächse, Linden, Ulmen) [2]. Im Bienenhonig findet sich ebenfalls Raffinose, auch in Baumwollsamen und manchen Blütenpflanzen [6].

Da das Raffinose-Molekül eine ähnliche glycosidische Bindung zwischen Galactose und Glucose besitzt wie die Lactose, gibt es bei der Verdauung im Dünndarm ähnliche Probleme wie mit der Lactose [2]. Allerdings kann die Lactase die Bindung in der Raffinose nicht spalten (Schlüssel-Schloss-Prinzip!), und der Mensch hat keine α-Galactosidase[3], daher gelangt die meiste Raffinose unverdaut in den Dickdarm, wo sie dann von Bakterien unter Bildung unangenehmer Gase zersetzt wird (Blähungen, Durchfall) [2]. Die Blähungen, die man bekanntlich nach dem Verzehr von Erbsen, Bohnen oder Linsen bekommt, sind vor allem auf den Raffinosegehalt dieser Lebensmittel zurückzuführen. Auch durch das Kochen wird die Raffinose normalerweise nicht zerstört [7].

Quellen:

  1. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  2. Wikipedia, Artikel "Raffinose"
  3. engl. Wikipedia, Artikel "Raffinose"
  4. "D(+)-Raffinose pentahydrate" auf www.chemicalbook.com
  5. "Raffinose" auf www3.hhu.de/biodidaktik
  6. Spektrum Lexikon der Ernährung, Artikel "Raffinose"
  7. "Süßer Kälteschutz" in Chemie in unserer Zeit 6/2020
  8. "Raffinose + Raffinase = Raffinade: Raffiniert!" in Chemie in unserer Zeit 2014, 190-199.

Quellen:

  1. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992