Helmichs Biologie-Lexikon

Glycolipide

Allgemeines

Unter Glycolipiden versteht man allgemein Lipide, bei denen das Grundgerüst Glycerin oder häufiger Sphingosin mit einem Zucker-Rest verbunden ist. Diese Membranlipide kommen ausschließlich auf der nicht-cytoplasmatischen Seite der Membran vor. Bei der Zellmembran sind die Glycolipide also nur auf der Außenseite anzutreffen, bei der Membran von Organellen wie dem ER oder den Golgi-Zisternen befinden sich die Glycolipide nur in der Innenschicht der Membran.

Die Zuckergruppen der Glycolipide ragen auf der Zellmembran nach außen und bilden bei tierischen Zellen eine dicht zusammenhängende Glycocalix. Bei Pflanzenzellen gibt es keine Glycocalix, statt dessen finden wir dort eine dicke Zellwand, die ebenfalls aus Zuckerbausteinen zusammengesetzt ist.

Dieses einseitige Vorkommen der Glycolipide hängt mit dem Ort der Synthese zusammen: Die Lipide selbst werden wie alle Lipide im ER synthetisiert und wandern dann über ER-Vesikel zu den Zisternen des Golgi-Apparates. Dort werden die Lipide dann mit Hilfe bestimmter Enzyme glycolysiert, erhalten also ihre Zucker-Einheiten. Diese Enzyme sind im Innern der Golgi-Zisternen lokalisiert, können daher auch nur die innere Lipid-Schicht globa <div class="referenz pastellGelb abstandNachOben"> <big>&#10149;<a href="../G/Golgi-Apparat-Prozessierung.html"><em>Oligosaccharid-Prozessierung im Golgi-Apparat</em></a></big> glycolysieren. </div>lisieren. Wenn sich dann Golgi-Vesikel von den Zisternen abschnüren und zur Zellmembran gelangen und mir ihr verschmelzen, zeigen die Zuckerreste automatisch nach außen [9].

Oligosaccharid-Prozessierung im Golgi-Apparat

In diesem weiterführenden Lexikon-Artikel erfahren Sie, wie die Oligosaccharide im Golgi-Apparat zusammengesetzt bzw. modifiziert werden.

Beschreibung siehe folgenden Text

Ein Golgi-Vesikel verschmilzt mit der Zellmembran
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Der Begriff "Glycolipid" kommt zwar in der Fachliteratur immer wieder vor, aber eine einheitliche Definition ist schwierig. Weder bei Stillwell [1] noch bei Luckey [10] gibt es beispielsweise einen eigenen Abschnitt über Glycolipide, sondern als Glycolipide werden hier Glycerolipide oder Sphingolipide bezeichnet, die ein Mono- oder Oligosaccharid als Komponente besitzen.

Einfache Glycolipide

Bei den einfachen Glycolipiden ist ein Zucker-Molekül wie beispielsweise Glucose direkt mit einer Fettsäure verestert. Die Fettsäure "hängt" dann am Sauerstoff-Atom des ersten Kohlenstoff-Atoms:

Ein einfaches Glycolipid
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende.

Glycero-Glycolipide

Ein Glycero-Glycolipid
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Glycolipide, die ähnlich aufgebaut sind wie Phosphoglyceride, aber statt dem Phosphorsäure-Rest einen Zucker besitzen, werden als Glyco-Glyceride oder als Glycero-Glycolipide bezeichnet.

Welche Bezeichnung man wählt, hängt davon ab, ob man das Grundgerüst Glycerin oder den Zucker in den Vordergrund rücken will.

Glyco-Glycerid: hier liegt die Betonung auf den Zucker-Rest. Es handelt sich um ein Glycerolipid, bei dem das Grundgerüst Glycerin mit einem Zucker-Rest verbunden ist. Die Alternative wäre hier Phospho-Glycerid, wo das Glycerin mit einem Phosphorsäure-Rest verknüpft ist.

Glycero-Glycolipid: die Betonung liegt jetzt auf dem Glycerin-Rückgrat. Es handelt sich also um ein Glycolipid mit Glycerin als Rückgrat. Die Alternative hierzu wäre ein Sphingo-Glycolipid mit Sphingosin als Rückgrat.

Die dritte OH-Gruppe des Glycerins ist bei dieser Klasse der Lipide nicht mit Phosphorsäure verknüpft, sondern mit einem Monosaccharid, im einfachsten Fall mit Glucose. Statt der Glucose kann aber auch ein anderes Monosaccharid wie Galactose oder auch ein kurzes Oligosaccharid aus maximal 30 Einheiten mit dem Glycerin verbunden sein.

Sphingo-Glycolipide

Während die Glycero-Glycolipide das Glycerin-Molekül als Rückgrat haben, basieren die Sphingo-Glycolipide auf der Verbindung Sphingosin.

Ein Sphingolipid Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Das Sphingosin bzw. der Sphingosin-Rest ist hier hellgrün unterlegt, die Fettsäure gelb, das Zucker-Molekül blau. Man achte darauf, dass sich der "hintere" Teil des Sphingosins ähnlich verhält wie eine Fettsäure, im Prinzip enthält das Sphingo-Glycolipid also ebenfalls zwei Fettsäure-Reste.

Cerebroside

Diese Sphingo-Glycolipide (oder, wenn Sie wollen: Glyco-Sphingolipide) kommen vor allem in den Myelinscheiden der Nervenzellen vor [3,4]. Cerebroside sind Sphingolipide, die ein einzelnes Monosaccharid gebunden haben.

Die Abbildung 3 zeigt ein typisches Cerebrosid. An das Sphingosin-Molekül (grün unterlegt) sind eine Fettsäure (gelb) und eine beta-Glucose gebunden (blau).

Neben diesen Glucosylceramiden gibt es auch Galactosylceramide, bei denen dann Galactose gebunden ist. Die Galactosylceramide sind die wichtigsten Glycosphingolipide im Gehirngewebe und in den Myelinscheiden der Axone [4].

Glucosylceramiden kommen in roten Blutkörperchen und im Nervengewebe, vor allem in den Nervenzellen selbst vor. Auch in Pflanzen und Pilzen kommen Glucosylceramide vor, während Galactosylceramide nur in Tieren vorkommen.

Globoside

Globoside sind Sphingolipide, die ein elektrisch neutrales Oligosaccharid als Kopfgruppe tragen, das ausschließlich aus Hexosen besteht, also aus Monosacchariden mit sechs C-Atomen. Meistens beginnt das Oligosaccharid mit dem Zuckerderivat N-Acetyl-Galactosamin. Dann folgen entweder D-Glucose oder D-Galactose als zweiter Baustein [8].

Im Gegensatz zu Gangliosiden (siehe nächsten Abschnitt) enthält das Oligosaccharid keine N-Acetyl-Neuraminsäure [7].

Ganglioside

Ganglioside sind Sphingolipide, die ein teils verzweigtes Oligosaccharid aus bis zu sieben Zucker-Bausteinen gebunden haben. Ihren Namen haben Ganglioside daher, dass sie vor allem in der Membran von Nervenzellen vorkommen ("Ganglion" = Nervenknoten). In der grauen Substanz des Gehirns machen Ganglioside sogar 6% aller Membranlipide aus [6].

Beschreibung siehe folgenden Text

Ein Gangliosid
Autor des Oligosaccharids: Edgar181, Lizenz: public domain
Autor des gesamten Gangliosids: Ulrich Helmich, Lizenz: public domain

Die in Gangliosiden vorkommenden Monosaccharide und -derivate sind recht vielfältig. Vor allem ist hier die Sialinsäure zu erwähnen, die in jedem Gangliosid vorkommt [5]. Außerdem sind bei den Gangliosiden stets eine oder mehrere N-Acetylneuraminsäuren vorhanden [7].

Blutgruppen

Manche Ganglioside sind auch für die menschlichen Blutgruppen verantwortlich.

Blutgruppen A, B, o

Die menschlichen Blutgruppen o, A und B werden durch bestimmte Ganglioside festgelegt.

Bildung der Blutgruppen-Antigene
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Beim Heranwachsen eines Menschen ist zunächst nur das H-Antigen vorhanden, ein Gangliosid mit fünf Zucker-Einheiten (Sphingosin - Glucose - Galactose - N-Acetyl-Glucosamin - Galactose - Fucose).

Im Laufe der Entwicklung wird dieses Pentasaccharid dann modifiziert. Trägt der Mensch ein Allel für die Blutgruppe A, so wird ein zusätzliches N-Acetyl-Glucosamin an den äußeren Galactosering angebaut, es entsteht das A-Antigen. Bei Menschen, die ein Allel für die Blutgruppe B tragen, wird stattdessen ein weiteres Galactose-Molekül angebaut, so bildet sich das B-Antigen.

Vererbung der Blutgruppen: AB0-System

Einzelheiten zum Thema "Blutgruppen des Menschen" siehe diese Seite in der Genetik-Abteilung dieser Homepage.

Monosaccharide in der Zellmembran

StillweLl [1] listet in seinem Buch neun Kohlenhydrate auf, die bei Glycoproteinen und Glycolipiden gefunden worden sind:

Beschreibung siehe folgenden Text

Neun Kohlenhydrate, die in Zellmembranen vorkommen
Autor: Ulrich Helmich, gezeichnet nach der Abbildung 7.3 aus StillweLl [1], Lizenz: siehe Seitenende

Die letzten drei Kohlenhydrate sind streng genommen keine Monosaccharide oder Einfachzucker, sondern stickstoffhaltige Derivate von Glucose und Galactose.

Die Strukturformeln der α-L-Arabinose und der Sialinsäure sind in der Wikipedia etwas anders dargestellt, aber im Zweifelsfall sollte man der Fachliteratur mehr vertrauen als der Wikipedia.

Die Sialinsäuren - es gibt eine ganze Reihe dieser Verbindungen - spielen wegen ihrer negativen Ladung an der Carboxygruppe eine ganz besondere Rolle in der Zellmembran. Auch für die Medizin sind die Sialinsäuren von Interesse. Beispielsweise besitzen Krebszellen in ihrer Membran besonders viel Sialinsäuren, und Grippeviren können sich an Sialinsäure-Einheiten besonders gut binden. Andererseits führt die negative Ladung bei roten Blutkörperchen dazu, dass diese nicht so leicht verklumpen [1,2].

Oligosaccharide als Informationsspeicher

Die Glycocalix bzw. die Kohlenhydrate auf der Außenseite der Zellmembran spielen eine ganz wichtige Rolle bei der Zellkommunikation. Kohlenhydrate sind sehr effiziente Informationsspeicher. In einer Zellmembran kommen neun verschiedene Monosaccharide bzw. deren Derivate vor (siehe nächsten Abschnitt). Kombiniert man zwei davon, erhält man bereits 81 verschiedene Disaccharide - allein für eine glykosidische 1,4-Verknüpfung. Nun können Monosaccharide aber auch auf andere Weise verknüpft werden, nicht nur 1,4-glycosidisch.

Neben der 1,4-glycosidischen Verbindung können Monosaccharide noch folgendermaßen verknüpft sein [5]:

  • 1,2-glycosidisch
  • 1,3-glycosidisch
  • 1,6-glycosidisch
  • 2,3-glycosidisch
  • 2,6-glycosidisch

Das sind also sechs verschiedene Arten, ein Disaccharid aus zwei bestimmten Monosacchariden zu bilden. Außerdem ist das Disaccharid A-B nicht identisch mit dem Disaccharid B-A. Das wären dann schon einmal 12 Möglichkeiten, zwei gegebene Monosaccharide zu verbinden. Das Ganze muss nun mit 81 multipliziert werden, denn es gibt ja nach Stillwell [1] neun verschiedene Monosaccharide bzw. deren Derivate, die eine Rolle bei den Glycolipiden bzw. -proteinen spielen, laut Lehninger [5] sind es sogar deren zehn.

1997 veröffentlichte R.A. Laine einen Artikel "Information Capacity of the Carbohydrate Code". Für ein nicht-verzweigtes Trisaccharid rechnete Laine 6.000.000 verschiedene Möglichkeiten der Verknüpfung aus [1]. Für ein Tripeptid gibt es dagegen nur 203 = 8.000 verschiedene Möglichkeiten der Bildung.

Oligosaccharid-Prozessierung im Golgi-Apparat

In diesem weiterführenden Lexikon-Artikel erfahren Sie, wie die Oligosaccharide im Golgi-Apparat zusammengesetzt bzw. modifiziert werden.

Quellen:

  1. Stillwell. An Introduction to Biological Membranes. Elsevier Science 2016.
  2. engl. Wikipedia, Artikel "Sialic acid".
  3. DocCheckFlexikon, Artikel "Glycolipid".
  4. engl. Wikipedia, Artikel "Cerebroside".
  5. Nelson, Cox. LEHNINGER Principles of Biochemistry. Macmillan Learning, New York 2021.
  6. Wikipedia, Artikel "Ganglioside".
  7. Wikipedia, Artikel "Globoside"
  8. engl. Wikipedia, Artikel "Globoside"
  9. Alberts et al. Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie, 5. Auflage, Weinheim 2021.
  10. Luckey, Membrane Structural Biology. Cambridge University Press 2016.