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Gentechnik mit CRISPR/Cas9

Vorbemerkungen

Das CRISPR/Cas9-System ist eine geniale Art der Immunabwehr der Prokaryoten, die in etwa dem Immungedächtnis der Säugetiere entspricht. Die DNA-Sequenzen eingedrungener Viren werden in einer Gen-Bibliothek gespeichert, und bei Bedarf werden RNA-Kopien dieser Virensequenzen hergestellt, die dann das Cas9-Enzym zu der eingedrungenen Viren-DNA leiten. Passt diese Viren-Sequenz zu der CRISPR/Cas9-DNA-Sequenz, schneidet Cas9 die eingedrungene Viren-DNA wie eine Schere durch und macht sie dadurch unschädlich.

Das CRISPR-Cas-System

Auf dieser Seite wird das CRISPR-Cas-System der Prokaryoten ausführlich besprochen. Um das gentechnische CRISPR-Cas9-Verfahren zu verstehen, sollten Sie unbedingt zuerst diese Seite lesen. Die Seite hier baut nämlich darauf auf.

Eine Genschere

Bei der prokaryotischen Immunabwehr nach der CRISPR-Cas-Methode leitet eine kurze RNA das Cas9-Schneideenzym (eine Endonuclease) zu einer komplementären DNA-Sequenz. Das Cas9-Enzym schneidet die DNA dann quer durch, wie eine Schere.

Diese Art der prokaryotischen Immunabwehr war schon Ende der 80er Jahre entdeckt worden. Man ahnte damals aber noch nicht, welches gentechnisches Potenzial in diesem System versteckt ist. Das entdeckte man erst in den 90er Jahren und am Anfang dieses Jahrhunderts.

Das CRISPR/Cas9-System funktioniert nämlich auch bei Eukaryoten. Auch hier können DNA-Stränge durch die Cas9-Schere zerschnitten werden. Allerdings setzen dann sofort DNA-Reparatur-Systeme ein und "flicken" die DNA wieder zusammen. Das kann gut gehen, meistens wird die DNA aber nicht wieder hundertprozentig korrekt hergestellt. Die reparierte DNA enthält Mutationen an dieser Stelle.

In der Pflanzenzucht reicht dies schon aus, um Pflanzen mit neuen Eigenschaften zu erzeugen. Bei der klassischen Mutationszucht setzte man die Pflanzen radioaktiver Strahlung, UV-Strahlung oder mutagenen Chemikalien aus, um zufällige Mutationen in der DNA zu erzeugen. Man konnte aber nicht festlegen, welche Gene dabei verändert werden sollten. Bei der klassischen Mutationszüchtung wurden irgendwelche Gene verändert, und meistens nicht zum Vorteil. Behandelt man Pflanzen dagegen nach der CRISPR/Cas9-Methode, so kann man zumindest festlegen, welches der vielen Gene verändert werden soll. Die Art der Veränderung ist dann natürlich rein zufällig, aber zumindest hat man die Erfolgsaussichten um den Faktor 20.000 bis 30.000 erhöht - so viele Gene hat normalerweise eine Pflanze.

Auch bei der Gen-Analyse kommt das Verfahren zum Einsatz. Man hat beispielsweise eine DNA-Sequenz entdeckt, bei der es sich wahrscheinlich um ein proteincodierendes Gen handelt, weiß aber nicht, welches Protein von diesem Gen codiert wird oder welche Eigenschaft des Phänotyps von dem Gen beeinflusst wird.

Mit der CRISPR/Cas9-Methode führt man nun zufällige Mutationen in dieses Gen ein und schaut einfach, was phänotypisch passiert.

Gen-Editing

Die folgenden Methoden bzw. Optionen werden hier nur kurz angerissen, ansonsten würde der Rahmen dieser Webseite gesprengt. Im Laufe der nächsten Zeit werde ich vielleicht noch Spezialseiten für die einzelnen Methoden schreiben, aber im Augenblick muss dieser kurze Überblick reichen.

Gen-Repression

Mit einem gezielt veränderten Cas9-Enzym, das dann als dCas9-Enzym bezeichnet wird (für dead Cas9, also totes Cas9), kann man Knock-out-Mäuse (und andere Knock-out-Lebewesen) herstellen. Das dCas9-Enzym schneidet die DNA nämlich nicht, sondern bindet sich fest an die Ziel-DNA und blockiert so die RNA-Polymerase. Das Gen kann dann gar nicht mehr abgelesen werden. Im Grunde hat man sich so einen eigenen neuen hochspezifischen Gen-Repressor gebastelt.

Gen-Aktivierung

Auch das Umgekehrte ist möglich. An das dCas9-Enzym können jetzt Aktivatorproteine gebunden werden, so dass jetzt Gene transkribiert werden, die normalerweise nicht aktiv sind [1]. So hat man hochspezifische Gen-Aktivatoren zur Verfügung.

Epigenetik

Auch epigenetische Experimente kann mit Hilfe des dCas9-Enzyms durchführen. Es lässt sich nämlich mit epigenetischen Modulatoren verbinden, die dann Methylgruppen oder Acetylgruppen an die Histone des Chromatins anbringen. Und dann schaut man einfach wieder, wie sich diese Manipulation auf den Phänotyp des Organismus auswirkt.

Einbau von Gen-Schaltern

Man kann das Cas9-Enzym auch mit molekularen Schaltern ausstatten, die es dann mit dem Ziel-Gen verknüpft. Dieses Gen lässt sich dann extern ein- und ausschalten, zum Beispiel durch UV-Licht oder bestimmte Chemikalien.

Einbau neuer Gene

Durch bestimmte Methoden kann man auch dafür sorgen, dass nach dem Schneiden der DNA durch Cas9 neue DNA-Fragmente in die Schnittstelle eingebaut werden. So kann man Gene nicht nur stilllegen oder aktivieren oder zufällig verändern, sondern auch ganz gezielt neue Informationen mit einbauen.

Weitere Möglichkeiten

In dem Artikel "Was können wir von CRISPR erwarten" von Sara Reardon werden viele weitere Möglichkeiten erwähnt, was man mit der CRISPR/Cas9-Methode so alles erreichen kann bzw. könnte. Ich möchte hier einen kurzen Abriss dieser Erwartungen wiedergeben.

Resistenzen gegen Krankheiten

Viele Haustiere sind gegen bestimmte Krankheiten anfälliger als ihre wild lebenden Verwandten bzw. Vorfahren. Mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Methode kann man nun herausfinden, welche Gene für diese erhöhte Anfälligkeit verantwortlich sind, und wenn man das herausgefunden hat, kann man versuchen, diese Gene entsprechend zu verändern. In der Landwirtschaft würde das jede Menge Medikamente (vor allem Antibiotika) bei Tieren oder Pestizide bei Pflanzen einsparen, was sowohl ökonomisch wie auch ökologisch vorteilhaft wäre (höhere Profite und gleichzeitig besser für die Umwelt).

Neue Medikamente

Mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Methode kann man Tiere so manipulieren, dass sie mit ihren Produkten (Fleisch, Eier, Milch) auch Wirkstoffe abgeben, die gesund für den Menschen sind.

Im Jahre 2006 beispielsweise genehmigte die EU die Produktion eines Gerinnungshemmstoffs in Ziegenmilch, und 2015 wurden transgene Hühner genehmigt, in deren Eiern ein Medikament gegen eine Fettstoffwechsel-Krankheit enthalten war.

Ausgestorbene Tiere wiederbeleben

Jetzt wird es langsam Science fiction - artig. Der amerikanische Biologe George Church will indische Elefanten mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Methode in Wollmammuts umwandeln, die vor 4.000 Jahren ausgestorben sind. 2015 baute Vincent Lynch, ebenfalls Amerikaner, Mammut-Gene in Mäuse ein und beobachtet, dass die so manipulierten Mäuse kältere Temperaturen bevorzugten als ihre nicht-manipulierten Artgenossen.

Krankheitsüberträger kontrollieren

Anthony James (und wieder ein Amerikaner) baute mit der CRISPR/Cas9-Methode ein Resistenzgen gegen Malaria in das Genom von Moskitos ein, die ja die Hauptüberträger von Malaria sind. Und wenn sich die Moskitos nicht mit Malaria infizieren, dann können sie diese Krankheit ja auch nicht mehr auf Menschen übertragen, was in Afrika noch ein riesiges Problem ist.

Andere Forscher und Forscherinnen wollen die Moskitos ganz ausrotten, indem sie die Weibchen steril werden lassen, ebenfalls mit Hilfe eines CRISPR/Cas9-Verfahrens.

Bessere Nahrungsmittelproduktion

Gerade in der Fischzucht wird das CRISPR/Cas9-Verfahren verwendet, um schnell wachsende Lachse oder Forellen zu züchten. Naturschützer befürchten dann natürlich, dass solche Tiere in die freie Wildbahn gelangen und dort das ökologische Gleichgewicht durcheinanderbringen. Um das zu verhindern, hat man die Fortpflanzungsfähigkeit dieser Tiere ebenfalls manipuliert. In freier Wildbahn können sie sich nicht mehr fortpflanzen. Trotzdem kann mit diesen Tieren weitergezüchtet werden, allerdings muss man ihnen dann bestimmte Hormone verabreichen, die es in der Natur nicht gibt.

Bei der Produktion von Rindfleisch werden männliche Tiere bevorzugt, weil sie mehr und besseres Fleisch liefern als weibliche Tiere. Daher werden viele Kühe umgebracht. Mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Methode will man diese Rinder so manipulieren, dass nur noch männliche Nachkommen entstehen. Bei Hühnern hat man ein ähnliches Problem, nur weibliche Tiere legen Eier, die männlichen Nachkommen sind daher unerwünscht und werden kurz nach dem Schlüpfen umgebracht. Mit der CRISPR/Cas9-Methode kann man das Genom der männlichen Tiere aber so verändern, dass in den Eiern ein grün fluoreszierendes Protein entsteht. Beim Durchleuchten der Eier kann man so sofort erkennen, ob sie männliche oder weibliche Hühner enthalten. Die männlichen Eier kann man dann sofort aussortieren und für die Lebensmittelproduktion verwenden.

Quellen:

  1. Ledford, "Die CRISPR-Welle" in Spektrum direkt vom 20. April 2016.
  2. Readron, "Was können wir von CRISPR erwarten" in Spektrum direkt vom 2. Mai 2016.