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Die Wirkung von Umweltöstrogenen auf Fische

Zur Aufgabe

In dieser Abituraufgabe von 2017 (NRW) wurden Inhalte aus der Neurobiologie und aus der Molekulargenetik geprüft; die Aufgabe deckte also zwei Inhaltsfelder gleichzeitig ab.

Im Neurobiologie-Teil der Aufgabe geht es um GABA-Rezeptoren und ihre Beeinflussung durch Medikamente. Im Genetik-Teil geht es dann um Mutationen in den fünf Untereinheiten der GABA-Rezeptoren.

Material A

In diesem Material werden sogenannte Umweltöstrogene vorgestellt, das sind chemische Verbindungen aus der Umwelt, die ähnlich wie das weibliche Sexualhormon wirken. Es wird vor allem herausgearbeitet, dass Umweltöstrogene bereits in geringsten Konzentrationen auf Menschen und Tiere wirken, die solche Stoffe aus der Umwelt aufnehmen. Im Material wird dann beschrieben, wie Umweltöstrogene über das Abwasser in Gewässer gelangen und dort verdünnt werden.

Dieses Material spielt eigentlich nur eine eher untergeordnete Rolle bei der Abituraufgabe; erst in der Teilaufgabe 5 wird kurz auf das Material A eingegangen.

Falls Sie sich für das Thema "Umweltöstrogene" interessieren, sollten Sie den Artikel "Umweltgifte gefährden die Fortpflanzungsfähigkeit" lesen, der auf der Seite des Deutschlandfunks schon 2002 veröffentlicht wurde.

Material B / Teilaufgaben 1 und 2

Material B

In diesem Material wird der Einfluss von Umweltöstrogenen auf Fische beschrieben. Fische legen bekanntlich Eier, und Eier enthalten Eidotter. Der Eidotter enthält ein Protein namens Vitellogenin, und dieses Protein wird von einem entsprechenden Gen codiert. Das Vitellogenin-Gen wiederum wird durch Östrogen aktiviert. Je mehr Umweltöstrogene sich im Wasser befinden, desto mehr Vitellogenin befindet sich im Blut der weiblichen Fische. Aber auch männliche Fische produzieren in Anwesenheit von Umweltöstrogenen Vitellogenin. Daher ist die Vitellogenin-Konzentration im Blut ein guter Marker für die Östrogenkonzentration in dem Wasser.

Das Material B enthält außerdem zwei Abbildungen, die ich hier aus rechtlichen Gründen natürlich nicht reproduzieren darf.

Abbildung 1:

Hier sieht man, wie sowohl natürliche Östradiol-Moleküle wie auch Umweltöstrogene aus dem Blutgefäß in eine Zielzelle übertreten und dort an einen Östrogen-Rezeptor binden, der sich im Cytoplasma der Zielzelle befindet. Der Hormon-Rezeptor-Komplex tritt dann in den Zellkern ein und bindet an die DNA. Das führt zur Bildung von mRNA für Vitellogenin und schließlich - im Zellplasma - zur Synthese von Vitellogenin.

Abbildung 2:

Hier handelt es sich um ein Diagramm. Auf der x-Achse sieht man die Konzentration des Umweltöstrogens EE2 in Nanogramm pro Liter (also in extrem geringen Konzentrationen). Auf der y-Achse wird gezeigt, wie viel Prozent der Östrogen-Rezeptoren von dem natürlichen Östrogen Östradial (E2) besetzt sind. Wenn die EE2-Konzentration sehr gering ist (ca. 30 ng/L), dann sind 100% der Rezeptoren mit E2 besetzt. Je höher die EE2-Konzentration im Wasser, desto weniger Rezeptoren sind mit dem natürlichen Hormon E2 besetzt, bei einer Konzentration von 3.000.000 ng/L sind keine Rezeptoren (0%) mehr mit den natürlichen, also vom Fisch produzierten Hormonen besetzt.

Teilaufgabe 1
Aufgabenstellung

a) Die Schüler(innen) sollen hier die Wirkung von Östradiol (also dem natürlichen Sexualhormon) anhand von Abbildung 1 beschreiben.

b) Dann soll auf Genregulation eingegangen werden, und zwar sollen die Schüler(innen) ein Modell zeichnen und erläutern, "wie die Expression von Genen bei Prokaryonten reguliert werden kann". Das hat zwar überhaupt nichts mit der Genregulation bei Eukaryoten zu tun, aber das lac-Operon wurde sicherlich im Unterricht behandelt und kann hier gut reproduziert werden, auch wenn es gar nichts mit der Aktivierung (!) des Vitellogenin-Gens zu tun hat.

c) Aber darüber können sich die Schüler(innen) ja auslassen, wenn sie den letzten Teil der Teilaufgabe 1 bearbeitet. Hier sollen sie das Modell der prokaryotischen Genregulation mit dem in der Abbildung 1 gezeigten Modell vergleichen.

Erwartungen / Lösungen

a) Die Lösung des ersten Teils der ersten Teilaufgabe ist simpel, es soll lediglich die Graphik beschrieben werden, so ähnlich, wie ich es bereits bei der Beschreibung von Abbildung 1 weiter oben gemacht habe.

b) Hier wird eine Skizze des lac-Operons (oder eines "anderen fachlich zutreffenden" Operons) erwartet. Dann soll das Modell beschrieben werden.

c) Hier sollen die Schüler(innen) auf zwei wesentliche Punkte eingehen. Einmal soll der Östrogen-Rezeptor-Komplex mit dem Lactose-Repressor-Komplex verglichen werden. Der Östrogen-Rezeptor-Komplex hat aktivierende Wirkung, während der Lactose-Repressor-Komplex hemmende Wirkung hat. Zum anderen sollen die Vorgänge bei der Östrogen-Wirkung mit der Endprodukthemmung und Substratinduktion bei Prokaryoten verglichen werden. Hier wird erwartet, dass die Schüler(innen) erkennen, dass die Vitellogenin-Konzentration keinen Einfluss auf die Menge an Induktor hat.

Teilaufgabe 2
Aufgabenstellung

Die Schüler(innen) sollen hier die in der Abbildung 2 gezeigten Ergebnisse beschreiben und auswerten.

Erwartungen / Lösungen

Kurze Beschreibung der Ergebnisse und Eingehen auf die Folgen der EE2-Wirkung, zum Beispiel dass EE2 eine gesteigerte Expression des Vitellogenin-Gens bewirkt, so dass auch männliche Fische Vitellogenin bilden.

Material C / Teilaufgabe 3

Material C

Dieses Material zeigt die Ergebnisse von Versuchen, die mit Zebrafischen durchgeführt wurden. Man hat weibliche Zebrafische mit unterschiedlichen EE2-Konzentrationen behandelt und dann ermittelt, wie viele entwicklungsfähige Eier die Weibchen entwickeln und zu welchem Prozentsatz diese Eier erfolgreich befruchtet werden (Fekundität und Fertilität).

Die Fekundität (Zahl entwicklungsfähiger Eier) nimmt mit zunehmender EE2-Konzentration von 30 auf ca. 40 zu. Bei sehr hohen EE2-Konzentration allerdings nimmt die Fekundität wieder ab und sinkt schließlich auf Null.

Die Fertilität (Prozentsatz befruchteter Eier) bleibt zunächst gleich hoch (ca. 100%), sinkt bei höheren EE2-Konzentrationen allerdings ebenfalls auf Null ab.

Teilaufgabe 3
Aufgabenstellung

In dieser Teilaufgabe sollen die Kandidaten die in Material 3 gezeigten Untersuchungsergebnisse beschreiben und "im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen für die Fischpopulation" auswerten.

Erwartungen / Lösungen

Kurze Beschreibung der Untersuchungsergebnisse und anschließende Auswertung: Vitellogenin-Gehalt im Blut von männlichen und weiblichen Fischen steigt, geringe EE2-Konzentrationen steigern die Eierproduktion der Weibchen, ohne aber die Fähigkeit der Männchen zur Befruchtung zu beeinflussen. Hohe EE2-Konzentration verringern sowohl die Eierproduktion der Weibchen wie auch die Fruchtbarkeit der Männchen. Bei sehr hohen EE2-Konzentrationen ist daher ein Aussterben der Fischpopulation zu erwarten.

Material D / Teilaufgaben 4 und 5

Material D

Hier geht es um Freilanduntersuchungen von Dickkopfelritzen. Zunächst wird die Lebensweise dieser in Kanada lebenden Fische kurz beschrieben, dabei wird auch auf das Nahrungsnetz eingegangen, dem die Fische angehören (wichtig für Aufgabe 5). In einem der vielen Seen Kanadas wurde drei Jahre lang EE2 verteilt, ein anderer See diente als Kontrolle. Man konnte einen deutlichen Anstieg der Vitellogenin-Konzentration in den weiblichen Fischen beobachten, und einen noch stärkeren Anstieg bei den Männchen. Bei den Tieren im Kontrollsee blieb der Vitellogeningehalt über den Beobachtungszeitraum dagegen konstant normal (bei den Weibchen) bzw. extrem niedrig (bei den Männchen).

Noch eine interessante Beobachtung: In dem Kontrollsee konnten sowohl erwachsene Fische wie auch Jungtiere gefangen werden. In dem See mit der EE2-Konzentration wurden dagegen nur adulte (erwachsene) Fische gefangen.

Teilaufgabe 4
Aufgabenstellung

Die Schüler(innen) sollen hier die Folgen der EE2-Belastung unter Einbeziehung von Material C erläutern.

Erwartungen / Lösungen

Hier werden ähnliche Aussagen wie in der Teilaufgabe 3 erwartet: Hoher Vitellogenin-Gehalt im Körper der Weibchen und vor allem im Körper der Männchen, sinkende Fekundität und Fertilität, starke Abnahme der Fischpopulation.

Teilaufgabe 5
Aufgabenstellung

In dieser Teilaufgabe wird es ökologisch. Und zwar sollen die Schüler(innen) ein mögliches Nahrungsnetz für den EE2-See aus Material D skizzieren und erläutern, wie sich die EE2-Belastung auf andere Glieder des Nahrungsnetzes auswirkt. Am Ende der Teilaufgabe sollen die Schüler(innen) erörtern, inwieweit die Ergebnisse der Studie auf andere Fischpopulationen übertragbar sind. Dabei sollen die Materialien A bis D berücksichtigt werden.

Erwartungen / Lösungen

Hier wird eine Skizze erwartet, in der die Elritze im Mittelpunkt steht. Die Nahrung des Fisches (zum Beispiel Zooplankton und Insektenlarven) sowie die möglichen Räuber (wie zum Beispiel Forelle und Hecht) sollen berücksichtigt werden. Die Trophieebenen sollen korrekt benannt werden, und auf die Auswirkungen der EE2-Belastung soll eingegangen werden. Wenn die Elritzen-Population einbricht, hat das auch negative Auswirkungen auf die Populationen der Raubfische. Außerdem schädigt das Umwelthormon auch die Raubfische selbst sowohl auf direkte Weise wie auch über die aufgenommene Elritzen-Nahrung. Die unteren Trophieebenen, also die Nahrung der Elritzen, profitiert von der EE2-Wirkung, da nun die Räuber dezimiert werden.