Nach der Endosymbionten-Theorie sind die Eukaryoten - und damit auch alle Pflanzen - aus Archaebakterien hervorgegangen, die im Laufe der Zeit zunächst Cyanobakterien und ein paar Millionen Jahre später Sauerstoff verwertende und ATP-produzierende Eubakterien als Symbionten aufgenommen haben. Aus den Cyanobakterien sind dann schließlich die Chloroplasten, aus den Eubakterien die Mitochondrien hervor gegangen.
Auf dieser Lexikonseite wird die Endosymbionten-Theorie vorgestellt sowie zahlreiche Belege für die Richtigkeit dieser Theorie, die von vielen Biologen inzwischen eher als Tatsache denn als Theorie angesehen wird.
Die Chloroplasten der heute lebenden Pflanzen (einschließlich der vielen verschiedenen Salz- und Süßwasser-Algen) stammen von Cyanobakterien ab.
Die innere Membran der Chloroplasten entspricht in ihrer chemischen Zusammensetzung der Membran von Cyanobakterien, und die ringförmige DNA der Chloroplasten ist wie bei den Cyanobakterien frei von Histonen und hat auch eine ähnliche Basensequenz. Allerdings sind im Laufe der Evolution einige der Cyanobakterien-Gene verloren gegangen oder wurden in das Genom des Pflanzen-Zellkerns eingegliedert.
Weitere Belege für die Abstammung der Chloroplasten von Cyanobakterien finden Sie auf der oben erwähnten Lexikon-Seite zur Endosymbionten-Theorie.
Eine Darstellung zur Evolution der Pflanzen, wie ich sie hier auf meiner Homepage plane, sollte also mit der Evolution der Cyanobakterien beginnen.
Cyanobakterien
Was sind Cyanobakterien? Früher hat man "Blaualgen" zu dieser großen Gruppe von Prokaryoten aus dem Zweig der Eubakterien gesagt. Der Grund für diese Bezeichnung war die leicht blaugrüne Farbe dieser Organismen, die auf das Vorhandensein des Farbstoffs Phycocyanin zurückgeht. Als "Algen" bezeichnet man heute aber eukaryotische pflanzliche Zellen, die einzeln oder in Kolonien im Wasser oder an feuchten Stellen auf dem Land leben, Chloroplasten besitzen und munter Photosynthese betreiben.
Verschiedene Cyanobakterien
Malihe Mehdizadeh Allaf and Hassan Peerhossaini, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Cyanobakterien sind relativ große Prokaryoten, sie können bis zu 10 µm groß werden. Geißeln oder Wimpern besitzen sie nicht, sie leben meistens in Kolonien und nicht als Einzelzellen, und ihre Zellwand besteht aus einer dicken Mureinschicht, auf die noch Lipopolysaccharide aufgelagert sind, die eine voluminöse Gallerte bilden [1].
Cyanobakterien bilden eine Abteilung der echte Bakterien, gehören also nicht zu den Archaeen. Sie betreiben - wie viele andere Bakterien auch - Photosynthese. Dazu verwenden sie - wie auch andere Bakterien - das Pigment Chlorophyll.
Die Photosynthese ist bei vielen Bakterienarten verbreitet, nicht nur bei Cyanobakterien. Näheres dazu finden Sie auf dieser Vertiefungsseite.
Was ist nun das Besondere an den Cyanobakterien und unterscheidet sie von anderen photosynthetisch aktiven Prokaryoten?
Photosynthese der Cyanobakterien
Cynobakterien nutzen Wasser als Wasserstoffquelle
Die Cyanobakterien verwenden in ihrer Lichtreaktion Wasser H2O als Protonen- und Elektronenspender für die Elektronentransportkette. Als "Abfallprodukt" produzieren sie daher Sauerstoff O2. Andere photosynthetisch aktive Bakterien verwenden andere Protonen- und Elektronendonatoren, beispielsweise Schwefelwasserstoff H2O (Schwefelbakterien) und produzieren daher andere Abfallprodukte. Nur die Cyanobakterien setzen O2 frei!
Und noch etwas zeichnet die Cyanobakterien gegenüber anderen photosynthetisch aktiven Prokaryoten aus.
Cyanobakterien besitzen zwei Photosysteme
Die meisten Prokaryoten, die Photosynthese betreiben, besitzen nur ein Photosystem, entweder das Photosystem I oder das Photosystem II. Sie sind daher nicht in der Lage, Elektronen vom H2O-Molekül auf das NAD+ oder NADP+-Molekül zu übertragen. Der Redoxpotenzial-Unterschied zwischen H2O und NAD+ bzw. NADP+ ist einfach zu groß. Mit anderen Elektronenspender ist diese Differenz nicht so groß und daher leichter mit nur einem Photosystem zu bewältigen.
Cyanobakterien dagegen besitzen beide Photosysteme - genau wie die grünen Pflanzen in ihren Chloroplasten (übrigens eine weitere Bestätigung der Endosymbionten-Theorie). Das Photosystem II übernimmt die Elektronen vom Wasser und reicht sie an das Photosystem I weiter, das die Elektronen dann auf den Endakzeptor NADP+ überträgt.
Entstehung der Cyanobakterien
Vermutlich sind die Cyanobakterien durch die Fusion von zwei verschiedenen Prokaryotenzellen entstanden - so etwas kommt durchaus auch bei den rezenten Prokaryoten vor. Die eine Zelle besaß dann das Photosystem I, die andere Zelle das Photosystem II. Die fusionierte Zelle besaß dann einen enormen Selektionsvorteil gegenüber den nicht-fusionierten Zellen, sie konnte nämlich das im Überfluss vorhandene Wasser als Elektronen- und Protonenquelle nutzen.
"The most parsimonious hypothesis is that the cyanobacteria evolved from some kind of genetically chimeric prokaryote resulting from the fusion of two kinds of bacteria. Evidence indicates that photosystem I may optimize the efficiency of photosystem II under aerobic conditions. If so, then the fusion of two kinds of bacteria, each containing only one of the two photosystems, may have been particularly adaptive in a photosynthetic world with an atmosphere initially lacking much oxygen." [2].
Quellen:
- Gemeinholzer, Birgit, Systematik der Pflanzen kompakt, Springer Spektrum 2018.
- Niklas. Plant Evolution: An Introduction to the History of Life. The University of Chicago Press, 2016.