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Biologische Wertigkeit von Proteinen

Bedarf an essentiellen Aminosäuren

In der folgenden Tabelle, die ich dem berühmten Schlieper (Grundfragen der Ernährung) entnommen habe, können Sie sehen, zu welchem Prozentsatz der menschliche Körper die essentiellen Aminosäuren benötigt.

Wenn man alle Proteine, aus denen ein Mensch besteht, in einen großen Topf geben würde und dann schauen würde, welche essentiellen Aminosäuren in diesem Proteingemisch zu wie viel Prozent vorhanden sind, dann käme man auf folgende Werte, die ich übrigens dem Lehrbuch von Schlieper entnommen habe (Schlieper, Grundfragen der Ernährung, 22. Auflage):

Val Leu Ile Thr Met Lys Phe Trp
5,06 7,46 4,59 4,91 2,27 6,08 4,71 1,29

Die Aminosäure Valin kommt also zu 5,06% in unseren körpereigenen Proteinen vor. 100 g Körperprotein enthalten also 5,06 g Valin, 7,46 g Leucin und so weiter.

Analyse des Milchproteins

Angenommen, ein Mensch würde sich ausschließlich von Milch ernähren. Gut, diese Annahme ist natürlich völlig abwegig, zumindest für einen Menschen, der aus dem Säuglingsalter herausgewachsen ist. Aber trotzdem, mal angenommen, ein erwachsener Mensch ist einer Ernährungsideologie verfallen, die ausschließlich Kuhmilch als einziges Lebensmittel erlaubt.

Die Frage ist jetzt, wie viel Gramm körpereigenes Protein kann dieser arme Mensch aus 100 g Milchprotein herstellen.

Dazu schauen wir uns einmal die Zusammensetzung des Milchproteins an, wobei nur die essentiellen Aminosäuren interessieren. Die Zahlen kommen wieder aus dem Schlieper:

Val Leu Ile Thr Met Lys Phe Trp
6,87 10,5 6,27 4,48 2,51 7,76 5,07 1,49

100 Gramm Milchprotein enthalten also 6,87 Gramm der essentiellen Aminosäure Valin, 10,5 g der Aminosäure Leucin und so weiter.

Die körpereigenen Proteine des Menschen benötigen aber nur 5,06 Gramm Valin pro 100 g.

100 Gramm Milchprotein enthält also mehr Valin, als der Mensch zum Aufbau von 100 g Körperprotein benötigt, der Valin-Bedarf ist zu 136 Prozent gedeckt, wie man leicht nachrechnen kann.

Wie sieht es mit den anderen essentiellen Aminosäuren aus? Sind diese auch im Überschuss vorhanden? Raten hilft da nicht weiter, wir müssen für jede Aminosäure die prozentuale Bedarfsdeckung ausrechnen. Dazu machen wir uns am besten eine neue Tabelle:

Val Leu Ile Thr Met Lys Phe Trp
5,06 7,46 4,59 4,91 2,27 6,08 4,71 1,29
6,87 10,5 6,27 4,48 2,51 7,76 5,07 1,49
1,36 1,41 1,37 0,91 1,11 1,28 1,08 1,16

Tatsächlich sind fast alle essentiellen Aminosäuren in der Milch im Überschuss vorhanden. Daher gilt Milch vielen Leuten ja auch als sehr gesundes Lebensmittel. Eine Aminosäure jedoch ist nicht im Überschuss vorhanden, sondern im Gegenteil, von ihr ist weniger vorhanden, als der menschliche Körper benötigt. Gemeint ist die Aminosäure Threonin (Thr). Sie deckt den menschlichen Bedarf nur zu 91 %.

Jetzt kommt das berühmte Lego-Beispiel

Angenommen, wir haben folgende Legosteine zur Verfügung:

  • 12 rot
  • 9 gelbe
  • 10 grüne

und wir sollen aus diesen Legosteinen kleine Ampeln bauen. Jede Ampel besteht aus einem roten, einem gelben und einem grünen Legostein. Wie viele Ampeln können wir aus diesen Legosteinen bauen?

Natürlich nur 9 Ampeln. Danach sind die gelben Steine ausgegangen. Ein grüner und drei rote Steine bleiben übrig, mit denen können wir nichts mehr anfangen.

Zurück zur Biologischen Wertigkeit

Was hat dieses Lego-Beispiel nun mit der Biologischen Wertigkeit zu tun?

Bei dem Lego-Beispiel begrenzte die Zahl der gelben Bausteine die Zahl der Ampeln, die wir bauen konnten, auf die Zahl 9. Die gelben Legosteine waren also die "limitierenden Steine" (limitierend = begrenzend).

Bei dem Milchprotein ist es die essentielle Aminosäure Threonin, die begrenzend wirkt. Aus 100 g Milchprotein kann unser Körper nur 91 g körpereigenes Protein herstellen. Dann ist die Aminosäure Threonin verbraucht - ähnlich wie die gelben Legosteine nach 9 Ampeln verbraucht waren. Mit den anderen essentiellen Aminosäuren, die im Überschuss vorhanden sind, kann der Körper zunächst nichts anfangen.

Gut, er kann sie speichern, bis sie irgendwann mal gebraucht werden. Aber im Augenblick sind diese Aminosäuren nutzlos.

Definition der Biologischen Wertigkeit

Biologische Wertigkeit = die Menge an körpereigenem Protein, die aus 100 g Nahrungsprotein hergestellt werden kann.

Ein weiteres Beispiel

Wir wollen jetzt ein weiteres Nahrungsmittelprotein auf seine biologische Wertigkeit hin untersuchen. Dazu nehmen wir mal das Protein, das hauptsächlich im Weißmehl enthalten ist. Es kommt zum Beispiel im Weißbrot oder in Brötchen häufig vor.

Weißbrotprotein

Dazu machen wir uns gleich wieder eine Tabelle mit drei Reihen: Zunächst dem menschlichen Bedarf an essentiellen Aminosäuren, dann der Zusammensetzung des Nahrungsproteins, und schließlich der prozentualen Deckung dieses Bedarfs:

Val Leu Ile Thr Met Lys Phe Trp
5,06 7,46 4,59 4,91 2,27 6,08 4,71 1,29
5,12 7,8 5,0 3,29 1,71 2,68 5,49 1,07
      0,67 0,75 0,44   0,83

Warum ist diese Tabelle nicht komplett ausgefüllt?

Wenn man die Biologische Wertigkeit eines Proteins ausrechnen will, sind ja nur die essentiellen Aminosäuren von Interesse, die den menschlichen Bedarf nicht decken.

Leucin, Isoleucin und Phenylalanin sind im Überschuss vorhanden, sie spielen also keine Rolle bei der Biologischen Wertigkeit.

Threonin, Methionin, Lysin und Tryptophan sind dagegen "Mangelware". Jede dieser Aminosäuren kommt zu einem geringeren Prozentsatz vor, als der menschliche Körper eigentlich braucht. Am schlimmsten sieht das beim Lysin aus - und damit hätten wir auch schon die limitierende Aminosäure gefunden, welche ja die Biologische Wertigkeit bestimmt. Weißbrotprotein hat also eine Biologische Wertigkeit von 44%.