Allgemeines
Das Hammond-Postulat ist ein Lehrsatz, der sich auf den Übergangszustand einer chemischen Reaktion bezieht.
Betrachten Sie dazu folgendes Bild:
Energiediagramm einer endothermen Reaktion (links) und einer exothermen Reaktion (rechts)
Autor: Ulrich Helmich 2020, Lizenz: siehe Seitenende.
Links im Bild sehen wir das Energiediagramm des ersten Kettenfortpflanzungsschrittes der Bromierung eines Alkans (Radikalische Substitution), und rechts finden wir eine entsprechende Abbildung für die Fluorierung eines Alkans.
Der erste Kettenfortpflanzungsschritt der Bromierung ist eine endotherme Reaktion. Der Übergangszustand liegt sehr weit rechts und ähnelt den Produkten dieses Schrittes, also dem Bromwasserstoff-Molekül und dem Alkyl-Radikal. Einen solchen Übergangszustand bezeichnet man auch als späten Übergangszustand.
Bei der Fluorierung ist der erste Kettenfortpflanzungsschritt dagegen eine exotherme Reaktion. Hier liegt der Übergangszustand sehr weit links und ähnelt den Edukten dieses Schrittes, also dem Fluor-Radikal und dem Alkan-Molekül. Entsprechend heißt ein solcher Übergangszustand auch früher Übergangszustand.
Und genau das ist eine der zentralen Aussagen des Hammond-Postulats:
Der Übergangszustand einer endothermen Reaktion ähnelt eher den Produkten, der Übergangszustand einer exothermen Reaktion eher den Edukten.
Anwendungen
Ein bekanntes Anwendungsbeispiel für das Hammond-Postulat ist die Radikalische Substitution: Wieso sind Brom-Radikale selektiver als Chlor- oder Fluor-Radikale?
Selektivität heißt, dass bestimmte Reaktionsprodukte häufiger gebildet werden als die statistische Wahrscheinlichkeit vermuten lässt. So werden bei der Radikalischen Substitution tertiäre H-Atome weit schneller abstrahiert als primäre H-Atome. Besonders ausgeprägt ist diese Selektivität bei der Bromierung, wenn also Brom-Radikale angreifen, während bei der Fluorierung so gut wie keine Selektivität vorliegt.
Die Ursache für die unterschiedliche Selektivität liegt in dem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Kettenreaktion, nämlich dem ersten Kettenfortpflanzungsschritt.
Wie bereits oben ausgeführt, ist dieser bei der Bromierung endotherm, der Übergangszustand ähnelt also eher den Produkten. Das Hauptprodukt des ersten Kettenfortpflanzungsschrittes ist das Alkyl-Radikal. Tertiäre Alkyl-Radikale sind bekanntlich stabiler als primäre Alkyl-Radikale . Wenn der Übergangszustand des ersten Kettenfortpflanzungsschrittes einem Alkyl-Radikal ähnlich ist, dann wirken sich auch all die Faktoren, die das Alkyl-Radikal stabilisieren (+I-Effekt der Alkyl-Gruppen, Hyperkonjugation), auf den Übergangszustand aus.
Bei der Fluorierung aber ähnelt der Übergangszustand eher den Edukten. Faktoren, die das entstehende Alkyl-Radikal stabilisieren, wirken sich so gut wie nicht auf den Übergangszustand aus. Daher macht es bei der Fluorierung keinen wesentlichen Unterschied, ob ein primäres, ein sekundäres oder ein tertiäres H-Atom aus dem Alkan abstrahiert wird.
In der Abteilung "Studienvorbereitung OC" finden Sie einen großen Artikel zur Radikalischen Substitution.