Helmichs Chemie-Lexikon

Cyclohexan

Struktur

Cyclohexan ist ein Cycloalkan mit sechs C-Atomen und hat die Summenformel C6H12.

Molekülmodell: Cyclohexan in der Sessel-Konformation
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Computergeneriertes Modell von Cyclohexan in der Sessel-Konformation
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Ein Cyclohexan-Modell mit einem Molekülbaukasten kann ohne Kraftaufwand zusammengebaut werden, lästige Winkelspannungen wie beispielsweise beim Bau eines Cyclopropan-Moleküls treten hier so gut wie nicht auf. Allerdings erhält man beim Zusammenbauen kein perfektes regelmäßiges Sechseck, sondern eine energieärmere Konformation, die Sessel- oder die Wannen-Konformation. Die Sessel-Konformation sehen Sie in den beiden ersten Abbildungen, die Wannen-Konformation wird in der nächsten Abbildung gezeigt:

Molekülmodell: Cyclohexan in der Wannen-Konformation
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Das Computerprogramm Avogadro berechnet stets die energetisch günstigste Konformation eines Moleküls, offensichtlich gehört die Wannen-Konformation nicht dazu.

Die Sessel-Konformation ist die energetisch günstigste, fast spannungsfreie Konformation des Cyclohexans.

In der Sessel-Konformation stehen alle H-Atome gestaffelt zueinander, das heißt, sie sind maximal voneinander entfernt, so dass sich die Bindungselektronen der C-H-Bindungen nicht "in die Quere" kommen. Die Bindungsdissoziationsenergie der C-C-Einfachbindungen hat mit 368 kJ/mol nahezu den gleichen Wert wie im offenkettigen Hexan.

Alle H-Atome befinden sich in der gestaffelten Konformation
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Auf diesem computergenerierten Bild ist das Cyclohexan-Molekül so ausgerichtet, dass man die gestaffelte Ausrichtung der H-Atome in der Sessel-Konformation gut erkennen kann.

Energiediagramm der verschiedenen Konformationen des Cyclohexans
Autor: Ulrich Helmich 2022 und Jawero, Lizenz: public domain

Dieses Bild wurde nach einer Abbildung aus [2] angefertigt, es zeigt den Energiegehalt der verschiedenen Konformationen des Cyclohexans. Am stabilsten ist die Sessel-Konformation. Der Übergang zur Wannen-Konformation erfolgt über eine sogenannte Halbsessel-Konformation. Eine Twist-Konformation ist noch etwas stabiler als die Wannen-Konformation. Die Bilder der Konformationen stammen aus einer public domain-Abbildung des Autors Jawero [4].

Äquatoriale und axiale H-Atome

Das Cyclohexan ist eine sehr wichtige Verbindung, es ist das Grundgerüst viel organischer Naturstoffe und anderer Verbindungen. Man denke nur an den Zucker Glucose, der eine ähnliche Struktur hat wie das Cyclohexan. Auch Glucose kommt in der Sessel- und in der Wannen-Konformation vor. Bei diesen Konformationen kann man zwei Typen von H-Atomen unterscheiden, die äquatorialen und die axialen.

Cyclohexan in der Sessel-Konformation. Rot: axiale H-Atome, weiß: äquatoriale H-Atome
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

In diesem Molekülmodell des Cyclohexans wurden unterschiedlich gefärbte H-Atome verwendet. Die rot gefärbten H-Atome weisen in der Sessel-Konformation alle entweder nach oben (3x) oder nach unten (3x). Diese H-Atome werden als axiale H-Atome bezeichnet, sie ragen aus der Ringebene nach oben bzw. unten heraus. Die weiß gefärbten H-Atome, die in etwa in der Ringebene liegen, werden als äquatoriale H-Atome bezeichnet.

Allerdings ist diese Zuordnung - axial oder äquatorial - immer nur auf die jeweilige Konformation bezogen. Wenn Sie sich die Abbildung 5 mit dem Energiediagramm noch einmal näher anschauen, werden Sie zwei verschiedene Sessel-Konformationen entdecken. Die Konformation ganz rechts ist ein Spiegelbild der Konformation ganz links. Die H-Atome, die in der einen Sessel-Konformation axial sind, sind dann in der anderen Sessel-Konformation äquatorial und umgekehrt.

Und wenn Sie jetzt denken, die Sessel-Konformation ist derart stabil, dass die Moleküle für eine längere Zeit in dieser Konformation verbleiben, werden Sie jetzt sicherlich überrascht sein: Das Umklappen von der einen Sessel-Konformation in die andere erfolgt bei Zimmertemperatur ca. 200.000 mal pro Sekunde!!! [2]. Und bei diesem Umklappen werden alle anderen "Zwischenkonformationen" der Abbildung 5 durchlaufen.

Eigenschaften

Diesen Abschnitt können wir recht kurz gestalten. Die physikalischen Eigenschaften des Cyclohexans unterscheiden sich nicht wesentlich von dem offenkettigen n-Hexan, das Gleiche gilt auch für die chemischen Eigenschaften. Nur bei den Produkten chemischer Reaktionen muss man bei Cycloalkanen aufpassen, denn es gibt hier ja die cis-trans-Isomerie, wie bereits auf der Seite zum Cyclopentan ausgeführt wurde.

Physikalische Eigenschaften

Siedepunkt: 81 ºC, Schmelzpunkt:6,72 ºC, Dichte: 0,78 g/cm3. Wasserlöslichkeit: nur 0,06 g/l, Geruch: benzinartig (Daten aus der Wikipedia).

Chemische Eigenschaften

Cyclohexan verhält sich wie ein offenkettiges Alkan, kann also leicht oxidiert werden und eine radikalische Substitution eingehen. Die geringe Ringspannung spielt so gut wie keine Rolle bei den chemischen Eigenschaften.

Bei Substitutionsreaktionen werden äquatoriale H-Atome leichter ersetzt als axiale.

Das liegt daran, dass ein axialer Substituent zu nahe an die beiden benachbarten axialen H-Atome kommt, während ein äquatorialer Substituent eine große Entfernung zu den H-Atomen einhalten kann. Daher ist beispielsweise ein äquatoriales Chlor-cyclohexan etwas stabiler als ein axiales Chlor-cylohexan. Beim Methyl-cyclohexan beträgt dieser Energieunterschied 7,1 kJ/mol, das ist nicht unbedingt viel, könnte man jetzt denken, aber bei Zimmertemperatur liegen 95% des flüssigen Methyl-cyclohexans in der äquatorialen Sessel-Konformation vor und nur 5% in der axialen [2].

Wer von Ihnen jetzt denkt, "was soll's, ist das nicht völlig egal, ob ein Cyclohexan-Derivat in der axialen oder äquatorialen Konformation vorliegt", liegt falsch, wie man an einem besonders eindrucksvollen Beispiel erkennen kann.

Der Wirkstoff Fentanyl
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Hier sehen wir das starke Schmerzmittel Fentanyl, das 100 mal wirksamer ist als Morphin. Im Zentrum des Moleküls befindet sich ein Cyclohexan-Ring, bei dem ein C-Atom durch ein N-Atom ersetzt wurde (Hetero-Atom). Auf der im Bild rechten Seite des Cyclohexan-Rings befindet sich ein größerer Substituent, der über ein N-Atom mit dem Cyclohexan-Ring verbunden ist. Im Fentanyl befindet sich dieser große Substituent in äquatorialer Position, was ja sicherlich energetisch günstiger ist als die axiale Position.

Baut man jedoch eine Methyl-Gruppe in den Cyclohexan-Ring ein (roter Pfeil in der Abbildung), dann nimmt diese Methyl-Gruppe die äquatoriale Position ein, so dass der Amino-Substituent in die axiale Position gedrängt wird. Das so gebildete cis-Methyl-fentanyl ist nicht 100 mal wirksamer als Morphin, sondern 2.600 mal! Aber nicht etwa die Methyl-Gruppe ist für diese stark erhöhte Wirksamkeit verantwortlich, sondern der Lagewechsel des großen Amino-Substituenten von der äquatorialen in die axiale Position.

Leute, die sich mit Biologie auskennen und schon einmal etwas von dem Schlüssel-Schloss-Prinzip gehört haben, sollten sich eigentlich nicht über das eben beschriebene Phänomen wundern. Wirkstoffe wie Fentanyl beeinflussen die Aktivität bestimmter Enzyme, und Enzyme arbeiten nun mal nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Und wenn der Schlüssel etwas oder auch etwas mehr "verbogen" ist, passt er nicht mehr in das Schloss hinein. So einfach kann man biologisch die veränderte Wirksamkeit erklären.

Quellen:

  1. M. A. Fox, J. K. Whitesell: Organische Chemie - Grundlagen, Mechanismen, bioorganische Anwendungen. 1. Auflage, Heidelberg 1995.
  2. K. P. C. Vollhard, N.E. Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.
  3. J. Clayden, N. Greeves, S. Warren: Organische Chemie. Berlin 2013.
  4. Wikipedia, Artikel "Cyclohexan".