Helmichs Chemie-Lexikon

Aktivierungsenergie

Die Aktivierungsenergie EA ist die Energie, die bei einer chemischen Reaktion den Ausgangsstoffen zugeführt werden muss, damit es überhaupt zu einer Reaktion kommt. Anschaulich kann man sich das mithilfe eines Energiediagramms vorstellen:

Dieses Bild zeigt das Energiediagramm der Oxidation von Methan. Die Aktivierungsenergie dient zur Spaltung der kovalenten Bindungen zwischen den Atomen des Methans sowie zwischen den beiden Sauerstoff-Atomen. Ein recht hoher Betrag von 2.648 kJ/mol Methan und Sauerstoff ist dafür notwendig.

Berechnen kann man diesen Betrag, wenn man die Bindungsdissoziationsenergien der C-H-Bindungen und der C=O-Bindungen kennt und addiert.

Dieser hohe Energiebetrag kann bei Zimmertemperatur so gut wie nicht aufgebracht werden; kein Methan- oder Sauerstoff-Molekül ist bei 20 ºC so schnell, dass es zu einem "erfolgreichen Zusammenstoß" kommen kann (siehe Stoßtheorie der Reaktionsgeschwindigkeit).

Während die Bindungen der Edukte aufgebrochen sind, entstehen die neuen Bindungen der Produkte. Die bei dieser Reaktion anfallende Energiedifferenz wird als Reaktionsenergie bzw. Reaktionsenthalpie (ΔH = Enthalpie der Produkte - Enthalpie der Edukte) freigesetzt.

Wichtig ist nun folgendes: Die Höhe der Aktivierungsenergie EA hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie schnell eine chemische Reaktion abläuft. Ist die Aktivierungsenergie hoch, so ist die Reaktionsgeschwindigkeit klein. Bei einer niedrigen Aktivierungsenergie dagegen ist die Reaktionsgeschwindigkeit hoch.

Interessanterweise sagt die Höhe der Aktivierungsenergie nichts darüber aus, wie "heftig" eine chemische Reaktion verläuft. Die sogenannte Reaktivität hängt hauptsächlich von der freigesetzten Reaktionsenthalpie ab. Eine stark exotherme Reaktion verläuft meistens auch sehr spektakulär, ist also mit Feuererscheinungen, Explosionen oder zumindest einem deutlichen Glühen verbunden - läuft aber durchaus relativ langsam ab, wenn die Aktivierungsenergie sehr hoch ist.

Viele exotherme Reaktionen mit hoher Aktivierungsenergie müssen erst "in Gang" kommen. Das heißt, anfangs läuft die Reaktion noch langsam ab. Die freigesetzte Reaktionsenthalpie kann dann aber dazu verwendet werden, die Aktivierungsenergie der noch nicht zur Reaktion gekommenen Edukte zu überwinden, so dass mit der Zeit immer mehr Edukt-Teilchen reagieren und sich die Reaktion dadurch beschleunigt.

Die Aktivierungsenergie EA ist notwendig, um die chemischen Bindungen der Edukte (Ausgangsstoffe) zu spalten. Die Höhe der Aktivierungsenergie entscheidet über die Geschwindigkeit der chemischen Reaktion: Je höher EA, desto langsamer die Reaktion. Die Reaktionsenthalpie ΔH hängt allerdings nicht von der Aktivierungsenergie ab.

Thermodynamische und kinetische Kontrolle

Wenn der Verlauf einer Reaktion hauptsächlich von der Höhe der Aktivierungsenergie abhängt, spricht man von einer kinetischen Kontrolle. Diese kinetische Kontrolle ist vor allem bei niedrigen bis tiefen Temperaturen entscheidend, weil es hier besonders schwierig ist, den Aktivierungsberg zu überwinden.

Bei hohen oder sehr hohen Temperaturen spielt die Aktivierungsenergie dagegen nur noch eine stark untergeordnete Rolle. Bei solchen Temperaturen ist es nahezu egal, wie hoch der Aktivierungsberg ist, er wird auf jeden Fall leicht überwunden. Der Verlauf der Reaktion hängt dann nicht mehr von der Aktivierungsenergie ab, sondern von der freigesetzten Reaktionsenthalpie. Je mehr Enthalpie bei der Reaktion an die Umgebung abgegeben wird, desto "leichter" verläuft die Reaktion. Man spricht dann von einer thermodynamischen Kontrolle.