Home > Biologie > Stoffwechselbiologie > Atmung

Der Protonentransport

ATP-Synthese - Protonentransport - Elektronentransport

Das kleine Problem

Irgendwann sind aber so viele Protonen in das Mitochondrium hineindiffundiert, dass sich ein Konzentrationsausgleich eingestellt hat; es findet dann keine Netto-Diffusion mehr statt. Dann kann auch kein ATP mehr erzeugt werden.

Dieser Konzentrationsausgleich der Protonen darf nie stattfinden!

Was unternimmt die Zelle bzw. das Mitochondrium dagegen? Ganz einfach: Das Mitochondrium pumpt wieder Protonen aus der Matrix heraus, so dass der Protonengradient aufrecht erhalten werden kann. Aber ist das nicht dumm? Müsste das Mitochondrium für diesen aktiven Transport nicht ATP "opfern", das es vorher gerade hergestellt hat? Jetzt kommt der Clou: Das Mitochondrium pumpt tatsächlich Protonen aus dem Innenraum heraus, aber es benötigt dafür kein wertvolles ATP, sondern gewinnt die Energie auf andere Weise.

Kleines Beispiel aus dem Leben eines Müllers

Stellen Sie sich vor, sie haben eine alte Wassermühle geerbt und wollen diese aus nostalgischen Gründen weiter laufen lassen. Der Bach, der das Mühlrad früher angetrieben hat, ist inzwischen aber ausgetrocknet oder verlegt worden. Sie besorgen sich also einen großen Vorratsbehälter mit 10 m3 Wasser und treiben mit dem herauslaufenden Wasser das Mühlrad an. Das Wasser wird dann in einem zweiten Vorratsbehälter, der weiter unten steht, aufgefangen. Irgendwann ist der obere Behälter aber leer, dann kommt das Mühlrad zum Stillstand.

Sie haben aber vorher an alles gedacht. Natürlich haben Sie sich aus dem Baumarkt eine kleine Pumpe besorgt, mit der sie das Wasser ständig aus dem unteren Behälter zurück in den oberen pumpen. Angetrieben wird diese Pumpe natürlich mit Solarenergie, Sie hatten ja guten Biologie-Unterricht und denken ökologisch...

Natürlich hätte man das Mühlrad auch direkt mit Solarenergie antreiben können, aber das hätte nicht so schön ausgesehen. Wo wäre dann das Wasser geblieben, das auf die Schaufeln des Mühlrades fließt? Und vor allem: Wo wäre die Parallele zu der ATP-Synthese in den Mitochondrien geblieben?

Der Protonentransport

Ähnlich wie in dem Mühlrad-Beispiel müssen auch die Mitochondrien dafür sorgen, dass in dem Zwischenmembranraum ständig ein Protonenüberschuss herrscht. Die Protonen müssen kontinuierlich aus der Matrix in den Zwischenraum gepumpt werden, allerdings darf für diesen aktiven Transport kein ATP verbraucht werden.

Grüne Pflanzen schaffen diesen ATP-unabhängigen Protonentransport mit Hilfe der Sonnenenergie, wenn in den Chloroplasten die Lichtreaktion der Photosynthese abläuft.

Den Mitochondrien steht keine Sonnenenergie zur Verfügung bzw. sie können die eventuell einfallende Lichtenergie nicht nutzen, weil sie keine absorbierenden Pigmente wie zum Beispiel Chlorophyll besitzen.

Aber eine völlig andere Energiequelle ist vorhanden, und die kann genutzt werden.

Kennen Sie aus dem Chemieunterricht noch die Knallgasreaktion?

2 H2 + O2 → 2 H2O + viel Energie

Wasserstoff und Sauerstoff reagieren in einer sehr exothermen Reaktion zu Wasser. In der Technik nutzt man diese Reaktion beispielsweise für Raketenantriebe oder - nicht ganz so drastisch - in Brennstoffzellen (Wasserstoff-Technik, grüner Wasserstoff etc.).

Auch in den Mitochondrien kann diese Reaktion ablaufen. Allerdings wäre es für die Zelle viel zu gefährlich, mit gasförmigem Wasserstoff zu hantieren. Wasserstoff ist ein hoch explosives Gas, und die Anwesenheit von Sauerstoff macht die Sache nicht besser, im Gegenteil.

Betrachten wir nun die folgenden beiden Reaktionen:

2 NADH/H+ + O2 →2 NAD+ + 2 H2O + viel Energie

2 FADH2 + O2 →2 FAD + 2 H2O + viel Energie

Die Coenzyme NAD+ und FAD sind ja nichts anderes als organische Wasserstoff-Speicher. In beladener Form NADH/H+bzw. FADH2können sie mit Sauerstoff zu Wasser reagieren, zurück bleiben dann die unbeladenen Formen NAD+ und FAD.

Die Reaktion dieser Wasserstoff-Speicher mit Sauerstoff liefert sehr viel Energie, allerdings läuft die Reaktion nicht in einem Schritt ab, sondern in mehreren kleineren Schritten, die für die Zelle harmlos sind. Die Energie wird also in kleinen Portionen freigesetzt, und nicht auf einmal wie bei der Knallgasreaktion. Und diese portionsweise freigesetzte Energie wird nun genutzt, um Protonen aus der Matrix in den Raum zwischen den beiden Membranen des Mitochondriums zu transportieren. Wenn die Protonen dann passiv durch die ATP-Synthasen zurückfließen, kann ATP erzeugt werden, für je drei Protonen entsteht ein ATP.

Erzeugung des Protonengradienten durch Reaktion von chemisch gebundenem Wasserstoff mit Sauerstoff
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.

Hier sehen Sie das Grundprinzip des Protonentransports. Dargestellt ist ein Ausschnitt aus der inneren Mitochondrienmembran. Auf der Matrixseite wird NADH/H+ "entladen", das so gebildete NAD+ steht dann wieder für den Citratzyklus und die Glycolyse zur Verfügung. Die freigesetzten Protonen und Elektronen der beladenen Coenzyme NADH/H+ und FADH2 gelangen auf Umwegen zum Endakzeptor Sauerstoff. In diesem Punkt ist die Graphik also noch viel zu einfach, aber dieses Thema - Elektronentransport und Protonentransport - wird auf der nächsten Seite ausführlich erläutert.

Bei der Atmungskette werden die Wasserstofftransport-Coenzyme NADH/H+ und FADH2 an bestimmten Proteinen der inneren Mitochondrienmembran entladen. Die dabei freigesetzten Protonen gelangen durch diese Proteine in den Zwischenmembranraum. Dort reichern sie sich an, es entsteht ein Protonengradient von außen nach innen. Durch ATP-Synthasen der inneren Membran strömen die Protonen dann berab zurück in die Matrix. Bei dieser passiven Diffusion entsteht ATP.

Ganz so einfach wie in der Abbildung dargestellt ist die Sache allerdings doch nicht. Die Coenzyme NADH/H+ und FADH2reagieren nicht direkt mit Sauerstoff, sondern über Umwege. Aber dieses Thema wird auf der nächsten Seite behandelt...