Helmichs Biologie-Lexikon

Urzeugung

Selbst im 17. Jahrhundert glaubten die Wissenschaftler noch an eine Urzeugung. Unter diesem Begriff verstand man die spontane Bildung von Lebewesen aus toter Materie. Mäuse sollten sich beispielsweise aus alten Lumpen entwickeln, Maden aus faulem Fleisch und so weiter. Eine solche Überzeugung, auch Abiogenese genannt, hatten schon die alten Philosophen Griechenlands. Aristoteles kann drei Arten der Entstehung von Lebewesen:

  1. Geschlechtliche Fortpflanzung
  2. Ungeschlechtliche Fortpflanzung (zum Beispiel bei Pflanzen)
  3. Spontane Entstehung von Lebewesen aus toter Materie (Urzeugung)

Diese Überzeugung hielt sich bis ins späte Mittelalter und wurde erst 1668 widerlegt.

Durch sehr einfache Experimente konnte der Wissenschaftler Francesco Redi 1668 zeigen, dass Fliegen nicht aus totem Fleisch entstehen.

Ein solches Experiment kann man auch leicht zu Hause durchführen:
Man gibt rohes Fleisch in ein Glas und lässt dieses für einige Tage offen stehen. In ein zweites Glas gibt man ebenfalls rohes Fleisch, verschließt dieses Glas aber mit einem Deckel oder einem festen Tuch. In dem ersten Glas entstehen nach einigen Tagen (je nach Wetter und Temperatur) Maden, im verschlossenen Gefäß dagegen nicht.

Nach den Erkenntnissen aus diesem Experiment - damals ein unglaublicher Fortschritt - formulierte Redi den berühmten Satz "Omne vivum ex ovo", also "Alles Leben entsteht aus dem Ei". In anderen Quellen wird dieser Satz auf Leeuwenhoek (einem der Erfinder des Mikroskops) zurückgeführt, der ähnliche Experimente mit Flöhen durchführte.

Allerdings nahm man eine ganze Zeit noch an, dass Mikroorganismen, also Bakterien, Pilze, Einzeller und so weiter durchaus durch Urzeugung entstehen können. Louis Pasteur konnte dann durch geschickte Versuche zeigen, dass auch Mikroorganismen nicht spontan entstehen, sondern aus der Luft oder dem Wasser in das verderbende Lebenmittel eingeschleppt werden. Seine Ergebnisse veröffentlichte er 1861 in Paris.

Ganz verschwunden ist der Glaube an eine Urzeugung aus der modernen Biologie allerdings noch nicht. Dass alle eukaryotischen Lebewesen, auch die primitivsten, aus Eiern entstehen, ist seit Redi klar. Auch das Prokaryoten nicht durch Urzeugung entstehen, wurde schon bald nach der Entdeckung der ersten Bakterien bekannt. Bakterien entstehen immer durch Teilung eines anderen Bakteriums.

Aber wie ist es bei der Entstehung des Lebens auf der Erde? Wie sind die ersten primitiven Zellen entstanden? Einfache chemische Bausteine wie Aminosäuren können aus anorganischen Stoffen wie Methan und Ammoniak spontan entstehen, das haben Miller und Urey in einem eindrucksvollen Experiment 1953 gezeigt. Aber wie entstehen lebende Zellen aus solchen toten Bausteinen? Diese Frage ist bis heute nicht geklärt.