Helmichs Biologie-Lexikon

Siebzellen und Siebröhren

Siebzellen sind spezialisierte Zellen der Farnpflanzen und Nacktsamer, die in der Lage sind, organische Verbindungen (Photosynthese-Produkte) über relativ weite Strecken zu transportieren, vor allem von den Blättern (Photosynthese) zu den Wurzeln.

Siebröhren dagegen sind die charakteristischen Bauelemente des Phloems, den lebenden Leitungsgewebe der Bedecktsamer. Sie bestehen aus miteinander verschmolzenen Zellen, die oft als Siebelemente oder Siebröhrenglieder bezeichnet werden, aber mit den Siebzellen der Farne und Nacktsamer verwandt sind.

Siebzellen sind zu einer Siebröhre vereinigt
Autor: Ulrich Helmich 1978/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Siebröhren bestehen aus miteinander verschmolzenen Zellen, die ihre Zellkerne abgebaut haben, und kommen bei Bedecksamern vor. Die Zahl der Mitochondrien in den ausgereiften Siebelementen ist stark reduziert, und Chloroplasten sind gar nicht vorhanden, lediglich ein paar Plastiden, in denen Stärke oder Proteine gespeichert werden. Die Vakuolen wurden abgebaut, und auch Dictyosomen und Ribosomen verschwinden im Laufe der Entwicklung eines Siebelements. Daher findet in einer Siebröhre auch keine Proteinsynthese mehr statt.

Von historischem Interesse ist, dass die Siebröhren von Blütenpflanzen Anfang der 60er Jahre Objekte der molekulargenetischen Forschung waren. Man wusste schon seit einigen Jahren, dass die Proteinsynthese in zwei Stufen abläuft, erst Transkription der DNA im Zellkern, dann Translation der mRNA im Cytoplasma. Siebröhren haben keine Zellkerne, trotzdem kommen jede Menge Proteine in den Siebröhren vor. Wie kamen die Proteine in die Siebröhren hinein, wenn dort keine Zellkerne waren, die mRNA produzieren konnten? Heute weiß man, dass die Geleitzellen der Siebröhren diese Aufgabe übernehmen.

Viele Siebelemente vereinigen sich zu einer langen Siebröhre, wie man auf dem Bild oben recht gut sehen kann. Die Zellwände zwischen den einzelnen Elementen sind stark verdickt, sie werden als Siebplatten bezeichnet. Jede Siebplatte ist von mehreren Siebfeldern durchsetzt, und jedes Siebfeld enthält wiederum mehrere Siebporen. Die Siebporen werden von Zellplasma durchzogen, sie stellen die eigentliche Verbindung zwischen den Elementen einer Siebröhre her.

Siebzellen mit einer Geleitzelle
Autor: Ulrich Helmich 1978/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Diese Zeichnung zeigt uns Siebelemente und eine Geleitzelle. Die Geleitzelle ist eine voll ausgebildete Pflanzenzelle mit Zellkern und allem was dazu gehört. Sie versorgt die benachbarte Siebzelle mit Energie (ATP), Proteinen und Nährstoffen.

Gegen Ende der Vegetationsperiode lagern sich in den Siebfeldern Callosepfröpfe ab. Dadurch wird der Transport in den Siebröhren gehemmt. Im nächsten Frühjahr müssen neue Siebröhren produziert werden.

Siebröhren entstehen durch inäquale Teilung einer Siebröhren-Mutterzelle. Aus der großen Tochterzelle bildet sich die Siebzelle bzw. das spätere Siebelement, aus der kleinen Tochterzelle eine Geleitzelle, die parallel zur Siebröhre verläuft und alle wichtigen Zellorganellen enthält. Außerdem besitzen die Geleitzellen, die übrigens nur bei Angiospermen vorkommen, einen polyploiden Chromosomensatz.

Untersuchungen haben ergeben, dass sich in den Siebröhren eine 0,5- bis 1-molare wässrige Lösung befindet, in der hauptsächlich Kohlenhydrate (vor allem Saccharose) gelöst sind [4]. Aber auch andere Zucker wie Raffinose oder Zuckeralkohole wie Mannitol oder Sorbitol werden von manchen Pflanzen in den Siebröhren transportiert. Auch einige Nährsalze werden in den Siebröhren transportiert, obwohl dafür ja eigentlich das Xylem zuständig ist. Der Transport von Vitaminen und Phytohormonen (Gibberelline und Cytokinine) wurde ebenfalls nachgewiesen.

Trotz der zahlenmäßig wenigen Mitochondrien enthält das Plasma der Siebröhren eine hohe Konzentration an ATP, das von den Geleitzellen bereitgestellt wird. Schließlich kostet die Transportarbeit viel Energie.

Quellen:

  1. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  2. Wilhelm Nultsch: Allgemeine Botanik, 11. Auflage, Stuttgart 2001
  3. Spektrum-Lexikon der Biologie, Artikel "Siebzellen" und "Siebröhren".
  4. Wikipedia, Artikel "Phloem".