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RNA-Interferenz

RNA-Interferenz bei Eukaryoten

Zunächst wurde RNA-Interferenz bei Pflanzen und wirbellosen Tieren gefunden - eigentlich ungewöhnlich, werden doch sonst viele genetische Phänomene zuerst bei den einfacheren Prokaryoten entdeckt und aufgeklärt, beispielsweise die Genregulation nach dem Repressor-Operator-Prinzip.

Was versteht man nun unter dem Begriff RNA-Interferenz? Im Internet und in der Fachliteratur findet man viele verschiedene Definitionen. Einig sind sich alle Beschreibungen, dass die RNA-Interferenz ein Prozess ist, der nach der Transkription eines Gens, aber vor dessen Translation stattfindet.

Nun gibt es aber viele Möglichkeiten, wie RNA-Moleküle die Expression von Genen beeinflussen können. Eine RNA kann sich beispielsweise an einen einigermaßen komplementären DNA-Abschnitt legen und H-Brücken ausbilden, so dass das Gen nicht mehr transkribiert werden kann. Auch können sich RNA-Moleküle an bereits vorhandene mRNA-Moleküle legen und so eine Translation unmöglich machen. Voraussetzung ist natürlich auch hier eine gewisse Komplementarität der beiden RNA-Moleküle.

Das Grundprinzip der RNA-Interferenz

Viele Arten der Genregulation

In pro- und eukaryotischen Zellen gibt es mehrere verschiedene Mechanismen zur Regulation der Transkriptionsrate eines Gens. Zum Beispiel kann ein Repressorprotein so vor ein Gen setzen, dass die RNA-Polymerase keinen Zugang mehr hat, oder Aktivator-Proteine heften sich an die RNA-Polymerase und erhöhen deren Effizienz. Beide Prinzipien (negative und positive Kontrolle) haben wird am Beispiel des lac-Operons der Bakterien kennengelernt.

Bei Eukaryoten sind Silencer und Enhancer bekannt, die die Transkriptionsrate bestimmter Gene erniedrigen bzw. erhöhen.

Eine weitere Möglichkeit der Genregulation auf Transkriptionsebene ist die Methylierung oder Acetylierung bestimmter DNA-Abschnitte oder Histone, wodurch die Transkriptionsrate beeinflusst wird.

RNA-Interferenz

Die RNA-Interferenz ist nun ein Regulationsmechanismus, der zwischen Transkription und Translation greift Bei einer bestimmten Form der RNA-Interferenz lagert sich ein zur mRNA komplementäres RNA-Molekül an die mRNA an, so dass diese nicht von den Ribosomen translatiert werden kann. Als ob diese Maßnahme noch nicht reichen würde, gibt es dann Enzyme in der Zelle, die diesen Komplex aus zwei RNA-Molekülen gezielt zerstören, noch bevor die Translation überhaupt beginnen kann.

So einfach, wie gerade beschrieben, ist die Sache allerdings nicht - leider. Im nächsten Abschnitt schauen wir uns die Vorgänge mal etwas genauer an.

RNA-Interferenz im Abitur Biologie NRW

Für die Abiturvorbereitung sollte das bisher Gesagte allerdings dicke reichen; ich schaue mal gerade nach, ob das Stichwort "RNA-Interferenz" überhaupt in den letzten zehn Jahren im Biologie-Abitur NRW aufgetaucht ist. Tatsächlich! In den Abiturvorgaben wird zum Thema "Epigenetik" neben "DNA-Methylierung" auch "RNA-Interferenz" verlangt.

Allerdings gab es bisher nur eine einzige Abituraufgabe, in der von RNA-Interferenz tatsächlich die Rede war, und zwar 2017:

"Der Stamm D. melanogaster nvd RNAi produziert eine zur wildtypischen mRNA-Sequenz des nvd-Gens komplementäre RNA, sodass eine RNA-Interferenz (RNAi) auftritt. Dies führt zum Abbau der wildtypischen nvd-mRNA und damit zu einer Inaktivierung des nvd-Gens"

Eine genaue Beschreibung der RNA-Interferenz wurde von den Kandidaten allerdings nicht erwartet.

Was ist eine siRNA?

Unter diesem Begriff versteht man kurze, ca. 25 Nucleotide lange RNAs, die von einem zelleigenen Enzym namens Dicer aus längeren doppelsträngigen RNAs herausgeschnitten werden. Der Name siRNA ist eine Abkürzung von "small interfering RNA".

An sich handelt es sich hierbei um einen Abwehrmechanismus gegen eingedrungene RNA-Viren. Dringt ein solches Virus in eine Pflanzenzelle ein, so wird dessen doppelsträngige RNA durch das Enzym Dicer in kleine Teile von 21 bis 28 Basenpaaren Länge zerschnitten, die siRNAs.

Im Prinzip lagert sich eine solche siRNA nun an eine mRNA an, um deren Translation zu verhindern. Allerdings muss sich die siRNA zunächst an einen Proteinkomplex anlagern, der als RISC bezeichnet wird (RNA-induced silencing complex). Dieser siRNA/RISC-Komplex bindet nun an eine mRNA, die eine Basensequenz enthält, die zu der siRNA komplementär ist.

In der Folge wird diese mRNA nun durch Nucleasen in kleinere Bruchstücke zerlegt und dann abgebaut. Wenn der siRNA/RISC-Komplex mit seiner Arbeit fertig ist, "angelt" er sich eine neue komplementäre mRNA, und das Ganze geht von vorn los [3].

RNA-Interferenz in der Medizin

"RNAi-Therapeutika bilden ... eine bedeutende neue Klasse von Medikamenten. Sie könnten in der Zukunft unter anderem zur Behandlung von viralen Krankheiten, Stoffwechselerkrankungen oder auch Krebserkrankungen eingesetzt werden und eine ähnliche Bedeutung erlangen, wie bereits heute monoklonale Antikörper."[2].

RNA-Interferenz bei Prokaryoten

In einem spektrumdirekt-Artikel vom 03.11.2010 ist von RNA-Interferenz bei Prokaryoten die Rede. Und zwar werden Bakterien und andere Prokaryoten ja ständig von Viren angegriffen, die ihre DNA in die prokaryotische Zelle injizieren, um den Proteinsyntheseapparat der Wirtszelle zur Produktion neuer Viren umzuprogrammieren. Im Laufe der Evolution haben sich aber Gegenmaßnahmen bei den Prokaryoten entwickelt, um solche Viren-DNA zu bekämpfen.

Irgendwie sind manche Prokaryoten in der Lage, Viren-DNA, von denen sie einmal befallen worden sind, in ihre eigene DNA einzubauen. Auf diese Weise können typische Genabschnitte von vier, fünf oder mehr verschiedenen Viren in der Prokaryoten-DNA gespeichert werden. Bei jeder Zellteilung wird diese Viren-DNA natürlich mitkopiert und auf die Tochterzellen übertragen.

Es handelt sich hierbei nicht etwa um sogenannte Proviren. Das sind ja virale DNA-Abschnitte, die von den Viren selbst in die Prokaryoten-DNA integriert werden. Solche Proviren können unter bestimmten Umständen aktiviert werden und verhalten sich dann wieder wie normale Viren, sie programmieren die Zelle also um.

Die Bakterienzelle transkribiert diese "Virenmuster" ständig, dabei entstehen RNA-Moleküle, die in dem Artikel als crRNA bezeichnet werden. Wird eine Bakterienzelle nun von einem solchen Virus befallen, so setzt sich die entsprechende komplementäre crRNA an die eingedrungene Viren-DNA - und Schluss ist mit Lustig. Die Viren-DNA kann nicht transkribiert werden und ist damit wirkungslos.

Wer etwas mehr über die Geschichte der RNA-Interferenz und den Mechanismus der RNA-Interferenz bei Prokaryoten wissen will, geht auf die Vertiefungsseite

Allgemeine Quellen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  2. "RNA-Interferenz: Therapie per Genschalter". Ein Artikel auf Max-Planck-Innovation. Kein Autor, kein Datum angegeben.
  3. "siRNA" auf Pflanzenforschung.de