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Das Lipid-Floß-Modell

Der Versuch von Henis et. al.

Das Fluid-mosaic-model hatte ca. 20 Jahre Bestand und wurde in allen Schulbüchern der Oberstufe präsentiert. Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre wurde jedoch entdeckt, dass nicht alle Proteine der Zellmembran so frei beweglich sind, wie Singer und Nicolson das postuliert hatten. Schauen wir uns dazu einmal ein Experiment an, das Henis et. al. 1990 in dem Journal of Cell Biology veröffentlicht haben.

Die Forscher arbeiteten damals mit einer Methode, die als "Fluorescence recovery after photobleaching", auf Deutsch in etwa "Fluoreszenz-Erholung nach Lichtbleiche" bezeichnet und meistens einfach mit "FRAP" abgekürzt wird [6]. Diese FRAP-Methode ist auf einer eigenen Lexikonseite genauer beschrieben, wenn Sie die Methode noch nicht kennen, informieren Sie sich bitte dort.

Wenn das Fluid-mosaic-model korrekt ist, müsste nach dem Ausbleichen der markierten Lipide oder Proteine nach einiger Zeit die Fluoreszenz komplett wieder hergestellt sein. Dies war aber nicht der Fall.

Beschreibung siehe folgenden Text

Der Versuch von Henis et. al 1990
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Diese Graphik zeigt den Versuch von Henis et. al. schematisch. Lipide oder Proteine in der Membran von Tierzellen werden mit Fluoreszenz-Farbstoffen markiert, die im UV-Licht unter dem Lichtmikroskop grün aufleuchten. Mit einem Laserstrahl werden in einem eng begrenzten Bereich der Zelle die Farbstoffe ausgebleicht, sie produzieren dann bei UV-Bestrahlung kein grünes Licht mehr. Im Lichtmikroskop ist dann quasi ein "Loch" in dem grün leuchtenden Umfeld zu sehen. Nach einiger Zeit jedoch verschwindet dieses Loch wieder, weil nicht gebleichte Lipide oder Proteine in diesen Bereich hineinwandern - ganz wie das fluid-mosaic-model ja auch vorhersagt.

Allerdings stieg die Fluoreszenz bei diesen Versuch nicht wieder auf den ursprünglichen Wert an, wie die Kurve in der Abbildung zeigt. Die Erklärung hierfür: Nicht alle Proteine sind in der Membran frei beweglich und können lateral diffundieren; einige Proteine scheinen offensichtlich fixiert zu sein, können also nicht diffundieren [3]. Je nach Zelltyp liegt der Anteil der frei beweglichen Proteine zwischen 30 und 90% [5]. 10 bis 70% der Proteine sind also irgendwie in der Beweglichkeit eingeschränkt.

Das Lipid-Floß-Modell

Das heißt jetzt nicht, dass diese Proteine völlig unbeweglich in der Zellmembran fixiert sind. Aber sie bewegen sich sehr viel langsamer als die frei beweglichen Proteine. Ihre Diffusionsrate ist deutlich kleiner als die Diffusionsrate frei beweglicher Proteine.

Man hat den Diffusionskoeffizienten von Lipid-Molekülen in reinen (künstlichen) Lipid-Doppelschichten bestimmt, der Wert liegt bei ca. mit 10-7 cm2/s. Macht man die gleiche Untersuchung bei echten Biomembranen, sinkt der Diffusionskoeffizient um das Zehnfache, er liegt nur noch bei 10-8 cm2/s. Man vermutet, dass die Lipide in der echten Membran durch bestimmte unbewegliche Proteine an der freien Bewegung gehindert werden [2].

Membran mit einem Lipid-Floß
Autor: Jan Fijalkowski, Lizenz: Public domain.

Diese Abbildung aus der Wikipedia zeigt ein Lipid-Floß (2), das links und rechts von einer normalen Biomembran (1) begrenzt ist. (3) ist ein Lipid-Raft-Membranprotein, (4) ein normales Transmembranprotein. (5) und (8) stellen Glycoproteine bzw. Glycolipide in der Membran dar, (7) ist ein Cholesterin-Molekül und (6) ein Glycoprotein, dass über seine Oligosaccharid-Kette mit einem Membranlipid verbunden ist.

Allerdings kommen Glycolipide (8) und Glycoproteine (5) nicht nur in Lipid-Rafts vor, wie die Abbildung andeutet, sondern auf der gesamten Außenseite der Membran. Allerdings ist die Konzentration von Glycolipiden und -proteinen in den Lipid-Rafts deutlich höher als in den normalen Bereichen der Membran.

An der Funktion dieser Lipid-Rafts wird noch geforscht, aber man geht davon aus, dass sie eine wichtige Rolle bei der Signal-Transduktion, beim Membranfluss in der Zelle, bei der Organisation des Cytoskeletts, bei Endo- und Exocytosen, bei der synaptischen Übertragung und beim Eindringen von Krankheitserregern spielen [8].

Was kommt nach Lipid Rafts ?

Lipid Rafts sind etwas verdickte und versteifte Mikrodomänen innerhalb der Zellmembran und der Membranen einiger Zellorganellen. Neben diesem neuen "horizontalen" Bild gibt es seit einigen Jahren auch ein neues "vertikale" Bild der Zellmembran.

Auf der Innenseite der Zellmembran eukaryotischer Zellen teilt das Cytoskelett zum Beispiel kleine Domänen ab, innerhalb derer sich Proteine und Lipide frei bewegen können. Allerdings können sie diese Domänen nicht verlassen. Solche Domänen sind mit 200 bis 300 nm Breite wesentlich größer als die Lipid Rafts.

Manche Membranen sind auf der Außenseite zusätzlich noch mit einer Schicht von Proteinen bedeckt, die mit den Membranproteinen mehr oder weniger locker verbunden sind und spezielle Aufgaben erfüllen. Auch auf der Membraninnenseite sind einige Membranproteine mit weiteren Proteinen verbunden, nicht nur mit Actin-Filamenten des Cytoskeletts.

"Thus, the focus of membrane research has expanded to include the membrane periphery as an additional important layer of the membrane." [7]

Quellen:

  1. Urry, Cain, Wassermann, Minorsky, Reece, Campbell Biologie, Hallbergmoos 2019, 11.Auflage
  2. The rapid intermixing of cell surface antigens after formation of mouse-human heterokaryons. L. D. Frye and M. Edidin. J. Cell Sci 7, 319-335 (1970).
  3. Harvey Lodish et al. Molecular Cell Biology, New York 2004
  4. Lipid Raft (Wikipedia)
  5. Darnell, Lodish, Baltimore, Molekulare Zellbiologie, Berlin 1994.
  6. Fluorescence recovery after photobleaching, engl. Wikipedia, abgerufen am 4. Juli 2021.
  7. Luckey, Membrane Structural Biology. Cambridge University Press 2014.
  8. Munro, "Lipid Rafts: Elusive or Illusive?" Cell, Vol. 115, 377-388, November 2003.

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